„Das Weiterbildungsstipendium hat mir unheimlich viel Drive gegeben“

Die Ergotherapeutin Anne-Marie Krause ist außer in einer Praxis für Ergotherapie auch als Ausbilderin und Dozentin an der Schule tätig, an der sie selbst ihre Ausbildung gemacht hat. Gefördert durch das Weiterbildungsstipendium bildet sie sich unter anderem zur Reittherapeutin und Lerntherapeutin weiter. Ihr großes Ziel ist, sich selbstständig zu machen.


Nach Ihrem Abitur haben Sie eine Ausbildung zur Ergotherapeutin absolviert. Wie waren Sie auf diesen Beruf gekommen?

Mit 15 Jahren hatte ich begonnen, in einem reittherapeutischen Betrieb auszuhelfen. Dort bekam ich das Feedback, dass ich gut mit Kindern umgehen könne, und wollte deshalb etwas im sozialen Bereich machen. Ich bewarb mich zunächst in Dortmund um einen Studienplatz in Sonderpädagogik, scheiterte aber am NC. Deshalb schob ich ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Förderschule ein, stellte dort aber fest, dass Sonderpädagogik nicht das ist, was ich auf Dauer machen möchte. Ich schaute mich weiter um, entdeckte die Ergotherapie und dachte, dass das eine gute Basis für meinen Plan sei, Reittherapeutin zu werden.

Warum kam das Studium nicht mehr infrage?

Weil ich mit dem Sonderpädagogik-Studium kaum die Möglichkeit gehabt hätte, mich später selbstständig zu machen, jedenfalls nicht so gut wie in der Ergotherapie. Hier konnte ich mir einen weiteren Rahmen stecken als im Schuldienst. Ich wollte schon immer unabhängig sein und selbst die Fäden in der Hand halten, deshalb war mir das sehr wichtig.

Wie haben Sie Ihre Ausbildungsstelle gefunden?

Ich war gerade frisch vom Tecklenburger Land in die Stadt gezogen und hatte meine erste eigene Wohnung bezogen. Ich fand heraus, dass in Dortmund die Ausbildung zur Ergotherapeutin an zwei Schulen möglich war. Bei der zweiten, der maxQ-Schule, hatte ich ein tolles Bewerbungsgespräch. Ich hatte das Gefühl, dass es wirklich darum ging, ob ich für den Beruf geeignet bin. Während meiner Ausbildung stellte ich dann fest, dass die Arbeit als Ergotherapeutin wirklich voll und ganz zu mir passt und mein Traumberuf ist. Ich habe bis heute nicht bereut, dort die Ausbildung gemacht zu haben.

Wie waren Theorie- und Praxisphasen verteilt?

Die Ausbildung dauerte drei Jahre, mit verpflichtend 2.700 Stunden theoretischem Unterricht und 1.700 Stunden praktischem Unterricht in Blockpraktika. An meiner Schule war die Ausbildung aber so organisiert, dass die Anteile jeweils noch mal 300 Stunden darüber lagen. Zur Ausbildung gehören ein arbeitstherapeutisches Praktikum, etwa in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, ein psychotherapeutisches Praktikum, meistens in einer Psychiatrie oder ähnlichen Einrichtung, und ein Wahlpflichtbereich. Hier hatte ich die Pädiatrie gewählt. Ich war in einer Einrichtung für Kinder mit einer Behinderung, dazu gehörte auch eine inklusive Kindertagesstätte.

Wie ging es beruflich für Sie weiter?

Ich habe in einer Praxis für Ergotherapie angefangen. Dann fragte die Schule, an der ich meine Ausbildung gemacht hatte, ob ich dort selbst Ausbilderin werden wollte. Beim ersten Mal fand ich mich dafür noch zu jung und unerfahren im Beruf. Die zweite Anfrage fiel noch deutlicher aus, ich bewarb mich und wurde angenommen. Deshalb wechselte ich auch die Praxis, in der ich als Ergotherapeutin arbeitete. Ich bin jetzt mit 27 Wochenstunden als Dozentin und Ausbilderin an der Schule angestellt und mit einem flexiblen Stundenkontingent in der neuen Praxis. Für die Praxis betreue ich hauptsächlich ein Wohnheim für Kinder, die durch Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung leichte bis sehr schwere Behinderungen erlitten haben. Mir ist es wichtig, als Ausbilderin direkt aus der Praxis berichten zu können. Für mich ist das ein Mehrwert. Und die Aufteilung funktioniert sehr gut.

Sie absolvieren außerdem einige Weiterbildungen und werden dabei durch das Weiterbildungsstipendium unterstützt. Wie haben Sie von dem Stipendium erfahren?

Während der Ausbildung wies mich einer meiner Dozenten auf verschiedene Fördermöglichkeiten und Stipendien hin, unter anderem auf das Weiterbildungsstipendium. Ich dachte nach der Ausbildung zunächst, dass ich nicht gut genug für ein Stipendium sei, obwohl ich ein 1,0-Examen gemacht hatte. Keine Ahnung, wie ich darauf kam. Die Vorgesetzten auf meiner ersten Stelle hielten Weiterbildungen ebenfalls für überflüssig. Als ich als Ausbilderin angefangen und die Praxis für Ergotherapie gewechselt hatte, sagte mein neuer Chef dagegen: ‚Anne-Marie, du bewirbst dich jetzt bitte um das Weiterbildungsstipendium!‘ Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist habe ich meine Unterlagen eingereicht und die Zusage für das Stipendium erhalten.

Für welche Weiterbildungen haben Sie sich entschieden?

An den beiden kommenden Wochenenden habe ich zwei Online-Veranstaltungen im Rahmen meiner Weiterbildung zur klinischen Lerntherapeutin. Der Kurs dauert insgesamt knapp zwei Jahre. Im vergangenen Jahr habe ich meine einjährige Traumweiterbildung zur Reittherapeutin abgeschlossen und darf nun offiziell Reittherapie anbieten und über die Krankenkassen abrechnen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir diese Weiterbildung leisten könnte. Als die Zusage für das Weiterbildungsstipendium kam, war das wie ein Geschenk des Himmels. Einige kleinere Weiterbildungen im Bereich Therapie-Intervention, die ich als Ergotherapeutin gut umsetzen kann, habe ich für dieses Jahr ebenfalls noch geplant.

Konnten Sie beruflich schon von den Weiterbildungen profitieren?

Bei den Seminaren zur Reittherapie und zur Lerntherapie wusste ich sofort, dass ich sie gleich nutzen und umsetzen kann, sowohl im Unterricht als auch als Therapeutin. Und sie sind beide perspektivisch sehr wichtig für mich, weil ich mich nach wie vor als Ergo- und Reittherapeutin selbstständig machen möchte – zusammen mit meinem Mann, der ebenfalls Ergotherapeut ist. Dazu kommt der psychische Aspekt: Als ich das Weiterbildungsstipendium bekam, war das für mich eine Anerkennung für die Anstrengungen und Leistungen, die ich in den vergangenen Jahren erbracht hatte. Das hat in mir ganz viel bewegt: Es war eine Bestätigung, dass ich es kann, und ich traute mich, die Weiterbildungen jetzt wirklich anzugehen. Das Stipendium hat mir unheimlich viel Drive gegeben.

Wie können Sie die Weiterbildung zur Reittherapeutin nutzen?

(lacht) Das ist eine verrückte Geschichte. Ich habe zu Weihnachten von der Vorbesitzerin ein Pferd geschenkt bekommen, das ich lange betreut habe. Ich bilde den Wallach gerade zum Therapiepferd aus und baue mir einen Kundenstamm auf.

Die Planungen für die Selbstständigkeit sind also konkret.

Ja, wir wollten es eigentlich in diesem Jahr angehen, haben es aber wegen der Corona-Krise verschoben. Wir erstellen zurzeit einen Business-Plan, arbeiten eng mit der Bank zusammen und sobald wir die nötigen Immobilien gefunden haben, können wir starten. Ich glaube nicht, dass wir ohne das Weiterbildungsstipendium schon so weit wären.

Sie engagieren sich als Stipendiumsbotschafterin für das Weiterbildungsstipendium. Wie kam es dazu?

Es gab einen Aufruf seitens der SBB, die Stipendienbotschafterinnen und -botschafter suchte. Ich fand, dass das bei mir Sinn ergibt, weil ich ja Multiplikatorin bin. Die maxQ-Schule, an der ich Ausbilderin bin, gehört zum Bundesfortbildungswerk des DGB, das allein in Dortmund fünf Schulen für Gesundheitsfachberufe hat. Dort erkläre ich jedes Jahr den Auszubildenden, wie es sich auszahlen kann, sich anzustrengen, und welchen Schub das Weiterbildungsstipendium geben kann.

Wie sollten junge Berufstätige an das Thema Weiterbildung herangehen?

Das ist eine Frage, die mir auch meine Schüler oft stellen. Ich antworte ihnen immer: Sucht euch eine Fortbildung, die zu euch passt und an der ihr Freude habt. Wer sich zu etwas zwingt, lernt auch nicht gut. Außerdem sollte man vorher prüfen, ob man wirklich in der Lage ist, den Workload zu leisten, und dabei 25 Prozent mehr einkalkulieren, als man eigentlich denkt, denn vieles ist vorher noch nicht absehbar. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Geld: Kann ich mir die Weiterbildung leisten? Zu den Fortbildungskosten kommen noch Fahrtkosten sowie Kosten für Übernachtungen, Verpflegung und Material. Daran scheitert es leider oft. Umso wertvoller sind Fördermöglichkeiten wie das Weiterbildungsstipendium.

Interview: Heinz Peter Krieger