„Wichtig ist, dranzubleiben und an sich zu arbeiten“
Emad Mohammad flüchtete 2015 aus Syrien nach Deutschland. Nach mehreren Sprachkursen suchte er sich eine Ausbildungsstelle als Verkäufer und schloss eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann an. Bald möchte er – gefördert durch das Weiterbildungsstipendium – eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Handelsfachwirt beginnen. Im Interview erzählt er, wie er sich so schnell im Arbeitsleben in Deutschland zurechtfand und warum deutsche Dialekte dabei eine besondere Hürde sein können.
Herr Mohammad, 2015 sind Sie mit 21 Jahren auf der Flucht aus Syrien nach Deutschland gekommen. Wie war Ihre erste Zeit in Deutschland?
Ich habe zunächst in verschiedenen Orten in Flüchtlingsunterkünften gelebt, erst in der Nähe von Münster, dann in Karlsruhe, Offenburg und schließlich in Ettenheim, wo ich heute noch wohne. Anfangs lebte ich mit anderen Geflüchteten in Zelten, später zu viert in einem Container. In Ettenheim habe ich dann mithilfe eines Sozialdienst-Mitarbeiters eine kleine WG gefunden, in der ich seit viereinhalb Jahren wohne.
Wie haben Sie Deutsch gelernt?
Zuerst hatte ich keine Zulassung für einen offiziellen Sprachkurs, weil ich noch keine Aufenthaltserlaubnis hatte. Ich lernte einige Rudimente der deutschen Sprache in einem ersten Integrationskurs. Mir halfen noch einige Lehrkräfte, die ehrenamtlich für eine Flüchtlingsinitiative arbeiteten. Mit ihrer Unterstützung habe ich es bis zum Sprachniveau B1 geschafft. An der Volkshochschule habe ich anschließend einen Einstufungstest gemacht und konnte direkt mit einem Kurs für die Stufe B2 anfangen. Der Kurs dauerte sechs Monate und ich konnte ihn erfolgreich abschließen.
Welchen Schulabschluss hatten Sie in Syrien?
Das Baccalauréat, das dem deutschen mittleren Schulabschluss entspricht. Danach habe ich als Weiterbildung einen Abschluss als Technischer Assistent im Finanzwesen gemacht. Deshalb wollte ich auch in Deutschland in einem kaufmännischen Bereich arbeiten. Mein Abschluss wurde in Deutschland jedoch nicht anerkannt, weil es in Syrien keine duale Ausbildung wie in Deutschland gibt. Deshalb habe ich hier eine Ausbildung zum Verkäufer absolviert. So konnte ich in den kaufmännischen Bereich gelangen. Wenn man erst seit zwei oder drei Jahren als Flüchtling in Deutschland ist, ist das natürlich schwierig.
Wurden Sie von der Arbeitsagentur oder einer anderen Stelle beraten?
Nein, ich habe selbst im Internet nach Ausbildungsstellen gesucht, nachdem ich den Sprachkurs an der Volkshochschule abgeschlossen hatte. Dabei fand ich eine Stelle in einem Lebensmittelmarkt in Ettenheim. Ich bewarb mich und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Das Unternehmen schlug mir vor, zunächst ein dreiwöchiges Praktikum zu machen und anschließend die Ausbildung zu beginnen. Das klappte auch. Dazwischen hatte ich in dem Betrieb für drei Monate einen Teilzeitvertrag, bis zum Beginn der Ausbildung.
Wie gefiel Ihnen die Ausbildung?
Die gefiel mir sehr gut. Nach der zweijährigen Ausbildung zum Verkäufer habe ich die Ausbildung fortgesetzt und bin jetzt im insgesamt dritten Ausbildungsjahr zum Kaufmann im Einzelhandel. Am Anfang war es noch schwierig, mit den Kunden umzugehen. Sich im Alltag zu unterhalten, ist schwierig, wenn man vorher nur einen Sprachkurs gemacht hat. Ich konnte die Menschen zwar verstehen, aber noch nicht gut mit ihnen reden. Dazu kommen die verschiedenen Sprechweisen und Dialekte. Im Sprachkurs lernt man die deutsche Grammatik und das Vokabular, aber wo ich wohne, reden die Menschen Badisch. Ich muss mich immer noch anstrengen, um sie zu verstehen (lacht).
Haben Sie an der Berufsschule sofort am normalen Unterricht teilgenommen oder hatten Sie noch zusätzliche Sprachkurse?
Nein, ich hatte nur den normalen Berufsschulunterricht und auch außerhalb keine weiteren Sprachkurse mehr.
Wie haben Sie vom Weiterbildungsstipendium erfahren?
Bei der Abschlussprüfung zum Verkäufer hatte ich mit der Note 1,4 ein sehr gutes Ergebnis. Anschließend informierte mich die Berufsschule, die IBG Lahr, über das Weiterbildungsstipendium und die Voraussetzungen, die es dafür gibt. Ich habe mich dann bei der IHK Südlicher Oberrhein in Freiburg beworben und das Stipendium bekommen. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut.
Für welche Weiterbildungen möchten Sie das Stipendium nutzen?
Ich möchte eine Weiterbildung zum Handelsfachwirt machen, um mich weiter in der kaufmännischen Richtung zu qualifizieren. Die Idee hatte ich schon, als ich nach der ersten Ausbildungsstelle suchte. Mit der Weiterbildung werde ich mehr Möglichkeiten haben, mich beruflich zu entwickeln. In wenigen Monaten habe ich die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Die Weiterbildung zum Handelsfachwirt möchte ich dann berufsbegleitend in einem Abendkurs absolvieren. Sie wird anderthalb Jahre dauern und ich will mich bald dafür anmelden.
Können Sie dann im Lebensmittelmarkt bleiben, in dem Sie Ihre Ausbildung absolvieren?
Ja, ich werde nach der Ausbildung übernommen. Wir müssen nur noch festlegen, wie meine Arbeitszeiten während des Lehrgangs sein werden, damit ich diese Weiterbildung absolvieren kann. Ich möchte dabei weiter in Vollzeit arbeiten. Das ist bei dem berufsbegleitenden Lehrgang gut möglich. Ich bin begeistert, dass ich die Weiterbildung machen kann. Wie es dann im Beruf weitergehen soll, weiß ich noch nicht, das möchte ich anschließend sehen.
Wenn Sie zurückschauen: Wie haben Sie es geschafft, sich in Deutschland so schnell im Beruf zurechtzufinden und bald die Weiterbildung zu beginnen?
Ich war und bin sehr motiviert. Man muss den Willen und die Lust dazu haben und auch beweglich sein. Wenn man zu Hause sitzen bleibt und wartet, wird es nicht klappen. Wichtig ist, dranzubleiben und an sich zu arbeiten. Wir haben außerdem viele Hilfen bekommen. Die Hilfen sollte man auf jeden Fall nutzen. Für mich war es allerdings einfacher als zum Beispiel für meinen Bruder, der in Bayern lebt und arbeitet. Er ist älter als ich, deshalb ist es für ihn schwieriger, noch eine Ausbildungsstelle zu finden.
Interview: Heinz Peter Krieger