„Früher dachte ich, man käme nur mit einem Einser-Schnitt für ein Stipendium infrage“

Der Traum von Wiebke Frahm war, in die Landwirtschaft zu gehen. Nach der Mittleren Reife absolvierte sie jedoch zunächst eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau. Nach mehreren Berufsjahren entschied sie sich, doch noch Landwirtschaft zu studieren. Im Interview erzählt sie von ihrem Studium an der Fachhochschule Kiel, ihrem Engagement an der Hochschulgruppe des Aufstiegsstipendiums und wie es nach ihrem Master-Studium beruflich für sie weiterging – in der Landwirtschaft.


Frau Frahm, Sie haben eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau absolviert. Wie waren Sie auf den Beruf gekommen?

Ich hatte mich immer für Landwirtschaft interessiert. Meine Eltern führten zwei Höfe, aber es war klar, dass meine beiden älteren Brüder diese übernehmen sollten. Da Bekannte von uns in einem Fachgroßhandel für Haustechnik in unserer Nähe in Rendsburg arbeiteten, bot es sich an, dort meine Ausbildung zu absolvieren. Meine Lehrer auf der Realschule meinten wegen meiner guten Noten, dass ich auf eine weiterführende Schule gehen sollte. Schule war für mich aber keine Option, ich wollte unbedingt arbeiten gehen.

Wie gefiel Ihnen die Ausbildung?

Das Großhandelsunternehmen arbeitet mit dem eingetragenen Handwerk aus den Bereichen Heizung, Sanitär, Elektro und Lüftung zusammen. Die Ausbildung machte mir sehr viel Spaß. Ich war in der Verkaufsabteilung und hatte schon als Auszubildende viel Kundenkontakt. Das war mir wichtig, weil ich nicht der Typ für Stillarbeit bin. Schon vor Ende der Ausbildung erhielt ich das Angebot, dort eine frei werdende Stelle zu übernehmen.

Wie ging es nach der Ausbildung weiter?

Ich blieb dreieinhalb Jahre in dem Unternehmen, hatte aber immer im Hinterkopf, wie ich mich weiterbilden könnte, etwa zur Handelsfachwirtin oder in einem Studium. Fachlich hätte sich natürlich BWL angeboten. Zu der Zeit reiste mein Cousin nach Australien, um dort zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln, und fragte mich, ob ich nicht mitwollte. Ich überlegte länger und dachte schließlich: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann nie. Ich kündigte meine Stelle, mein Chef bot mir aber an, ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub zu nehmen und dann weiterzusehen.

Und in Australien?

Ich arbeitete erst drei Monate auf einer Farm als Köchin für eine Erntetruppe. Dann reiste ich weiter und hatte mehrere Wochen eine Stelle in einer Bar. Anschließend konnte ich acht Wochen Neuseeland bereisen, kehrte nach Australien zurück und jobbte mit einer Bekannten am Container-Hafen von Brisbane. Zuletzt war ich vier Wochen in Thailand unterwegs und reiste dann zurück nach Deutschland. Nach den Erlebnissen im Ausland stand für mich fest, dass ich auf keinen Fall zurück ins Büro wollte.

Was folgte stattdessen?

Für mich war das Thema Landwirtschaft noch nicht abgeschlossen. Der Bereich hat sich so weit entwickelt, dass man dort unheimlich viel machen kann, auch mit einer Ausbildung im Groß- und Außenhandel. Ich bewarb mich deshalb um einen Platz an der Fachoberschule für Agrarwirtschaft in Osterrönfeld. Dort erwarb ich innerhalb eines Jahres die Fachhochschulreife. Mit anderen Schülerinnen und Schülern konnte ich an einem Schnuppertag der Fachhochschule Kiel teilnehmen. Seitdem stand für mich fest, dass ich dort Landwirtschaft studieren wollte. Der Studiengang an der FH ist wie ein Allround-Studium. Es soll schließlich darauf vorbereiten, ein landwirtschaftliches Unternehmen leiten zu können.

Gab es außer der Fachhochschulreife besondere Zulassungsbedingungen?

Es gab einen NC, aber ich hatte an der Fachoberschule einen guten Abschluss geschafft und erhielt gleich eine Zusage für einen Studienplatz. Da ich keine landwirtschaftliche Ausbildung hatte, musste ich vor dem eigentlichen Studium ein Praxissemester absolvieren. Die Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb noch einmal 24/7 zu erleben, war im Studium Gold wert.

 

Wie empfanden Sie den Start ins Studium?

Ich musste halt wieder die Schulbank drücken – also mich hinsetzen und lernen. Ohne eine landwirtschaftliche Ausbildung fehlten mir auch theoretische und praktische Grundkenntnisse und ich musste im Grunde genommen von vorne anfangen. In den Themen des Studiums fand ich mich dann aber gut wieder und das Lernen fiel mir leicht. Ich hatte auch sehr nette Kommilitonen, mit denen ich eine Lerngruppe bildete und das Studium gemeinsam organisieren konnte. An einer kleineren Hochschule wie der FH Kiel ist die Atmosphäre sehr familiär, auch der Kontakt zu den Dozenten ist sehr gut. Rückhalt in der Familie hatte ich ebenfalls. Meine Brüder hatten inzwischen selbst Landwirtschaft studiert und konnten mir helfen.

Haben Ihnen im Studium Ihre praktischen Erfahrungen geholfen?

Ein Vorteil war, dass ich schon eine Ausbildung und gearbeitet hatte. Ich war in vielem strukturierter als andere Studierende und wusste, worauf ich hinarbeitete. Mir war bewusst, was mich später im Beruf wieder erwarten würde.

Bei Ihrem Studium wurden Sie durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?

Im ersten Semester besuchte ich eine Infoveranstaltung zum Thema Studienförderung und Stipendien, auf der eine Kommilitonin das Aufstiegsstipendium vorstellte. Ich unterhielt mich mit ihr und stellte fest, dass meine Voraussetzungen mit Ausbildung, Berufserfahrung und Engagement in der Landjugend genau zu den Anforderungen für das Stipendium passten. Früher dachte ich, man käme nur mit einem Einser-Schnitt vom Gymnasium für ein Stipendium infrage. Jetzt hatte ich den Mut, mich einfach zu bewerben, und wurde aufgenommen.

Wie sehr hat das Stipendium Ihnen das Studium erleichtert?

Die Förderung ermöglichte mir, weniger zu arbeiten und zielgerichteter zu studieren. Ich konnte zum Beispiel an zwei Studienreisen nach Bulgarien und Rumänien und später im Master-Studium auch nach Brüssel teilnehmen. Während des Studiums nach ich außerdem an einem Eigenbestandsbesamer-Kurs teil und erwarb die Bescheinigung, was über 1.000 Euro kostete. Das wäre ohne das Stipendium ebenfalls nicht möglich gewesen.

Konnten Sie Angebote aus der ideellen Förderung des Aufstiegsstipendiums wahrnehmen?

Ich war Mitglied in der örtlichen Gruppe von Stipendiatinnen und Stipendiaten des Aufstiegsstipendiums. Wir kamen aus verschiedenen Fachrichtungen und der Austausch war immer sehr gut. Wir beteiligten uns auch immer wieder an Infoveranstaltungen der FH Kiel und beantworteten dort Fragen zum Stipendium. Auf diese Weise hatte ich ja selbst das Aufstiegsstipendium kennengelernt. Außerdem nahm ich an einem Seminar zum Thema Zeitmanagement teil, das wegen Corona online angeboten wurde. Das Seminar war wirklich toll, mit Teilnehmenden aus verschiedenen Fachrichtungen und aus ganz Deutschland, die jeweils eine ganz andere Sichtweise zum Thema einbringen konnten. Das war gerade bei meiner Bachelor-Abschlussarbeit und der Master-Thesis unheimlich wertvoll und hilft mir nun, meinen Berufsalltag zu strukturieren.

Wann hatten Sie sich entschieden, das Master-Studium anzuschließen?

Das war gegen Ende des Bachelor-Studiums, das ich mit der Note 1,6 abgeschlossen hatte. Eigentlich wollte ich wieder arbeiten und hatte bereits mehrere Bewerbungen geschrieben. Bei der Übergabe des Bachelor-Zeugnisses kam aber ein Dozent auf mich zu und meinte, ich solle auf jeden Fall meinen Master machen. Das ermutigte mich dann. Im Master-Studium geht man noch mal anders an die Themen heran und ich hatte einen noch intensiveren Draht zu den Dozenten. Es war viel Arbeit, aber ich bin froh, es gewagt zu haben. Das Studium habe ich Anfang dieses Jahres beendet. Während des Master-Studiums wurde ich weiterhin durch das Aufstiegsstipendium gefördert, darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut.

Wie ging es nach dem Studium beruflich weiter?

Ursprünglich wollte ich mehr in den Bereich Qualitätsmanagement gehen und kann mir das für die Zukunft immer noch vorstellen. Vor einigen Monaten konnte ich aber bei einem Maschinenring in Schleswig-Holstein beginnen. Maschinenringe sind Vereine für Landwirte, die sich miteinander vernetzen, etwa um Einkaufsvorteile bei der Beschaffung von Betriebsmitteln zu generieren. Ich bin verantwortlich für die Entwicklung und Betreuung neuer Projekte, für die Mitgliederbetreuung und kümmere mich um die geschäftlichen und organisatorischen Abläufe. Dabei bekomme ich natürlich viele Kontakte zu Landwirten. In einem solch großen Netzwerk arbeiten zu können, finde ich sehr spannend.

Ihr Tipp für Berufstätige, die über ein Studium nachdenken?

Meistens baut man sich gedanklich selbst Barrieren auf. Wenn man die Idee und das Ziel hat, sollte man es auch versuchen. Man lernt ja nie aus und Weiterbildung oder ein Studium bringen einem unheimlich viel. Irgendwie ist alles machbar, und gerade ein Stipendium erleichtert einem das Studium sehr.

Interview: Heinz Peter Krieger