Olaf Krause: Kreativ als Kunstschmied und als Komponist für Filmmusik

„Die Gestaltung und die Suche nach Ausdruck waren für mich immer schon da“

Seine Ausbildung zum Schmied machte Olaf Krause gleich zweimal – in Australien und in Deutschland. Über die Arbeit auf Mittelaltermärkten fand er (wieder) zur Musik und beschäftigte sich außer mit mittelalterlicher Musik mit Filmmusik. Unterstützt durch das Aufstiegsstipendium studierte er schließlich erfolgreich Musikkomposition für Film und Theater an der University of the Arts im niederländischen Arnheim. Am Ende des Interviews sind einige seiner Kompositionen verlinkt.

 


Herr Krause, nach der Mittleren Reife haben Sie eine Ausbildung zum Metallbauer absolviert und schließlich Musikkomposition studiert. Hatte die Kunst Sie schon immer begleitet oder sind Sie erst später zur ihr gekommen?

So weit ist das gar nicht voneinander entfernt. Ich habe Metallbauer mit der Fachrichtung Metallgestaltung gelernt, bin also Schmied. Die Gestaltung und die Suche nach Ausdruck waren für mich also immer schon da. Ich hatte auch schon immer Musik gemacht und komponiert. Insofern war der Schritt relativ klein. Ich hatte früher nur nie die Idee, von der Musik leben zu wollen.

Wie waren Sie auf Ihren Ausbildungsberuf gekommen?

Ich war schon für mein Schulpraktikum bei einem Hufschmied. Direkt nach der Schulzeit ging ich mit meiner Freundin, die ich während ihres Gastaufenthalts in Deutschland kennengelernt hatte, nach Australien und überlegte, im medizinischen Bereich zu arbeiten. Das war aber nicht möglich, also holte ich das dicke Buch mit den Angeboten der Berufsschulen hervor und stieß auf den Beruf des Schmiedes. So habe ich dann meine erste Ausbildung in Australien absolviert. Nach knapp drei Jahren ging ich zurück nach Deutschland. Weil die Ausbildung hier nicht anerkannt worden wäre, habe ich sie ein zweites Mal gemacht.

In Deutschland eine Ausbildungsstelle zu finden, war mit dem Abschluss aus Australien einfacher?

Ich habe mich selbst in einem Online-Forum in einem Inserat vorgestellt. Unter anderem meldete sich eine recht bekannte Schmiede aus Hessen, die sich auf die Herstellung und Bearbeitung von Damaststahl spezialisiert hat. Dort konnte ich jeden Tag am Feuer stehen und wirklich schmieden und gestalten. Das war das, was ich wollte. So kam ich aus Sydney in den Taunus (lacht). Zur Ausbildung gehörte auch der blockweise Besuch der Fachklasse in Baden-Württemberg, dort habe ich ebenfalls sehr viel gelernt.

Nach der Ausbildung sind Sie in dem Beruf geblieben?

Ich habe noch ein halbes Jahr als Geselle in der Schmiede gearbeitet, merkte aber auch, dass ich das nicht auf Dauer machen wollte. Es ist eine Knochenarbeit und deckte zwar eine Facette meiner Persönlichkeit ab, aber nicht alles, was mich interessierte. Nebenbei arbeitete ich damals an den Wochenenden auf Mittelaltermärkten. Ich hatte noch vor der zweiten Ausbildung auf einem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Köln eine Schmiedin angesprochen, die dort ihren Stand hatte. Am Schluss des Gesprächs fragte sie mich, ob ich nicht Lust hätte, bei ihr mitzuarbeiten, sie bräuchte dringend Unterstützung. So kam es dann. Ich schmiedete zunächst an den Wochenenden vor Publikum in Köln, wo ich auch wohnte. Später fuhr ich während der ganzen Saison mit dem Bus von Markt zu Markt. Durch die Mittelaltermärkte bin ich dann wieder zur Musik gekommen. Ich trat selbst als Musiker auf und übernahm später für die Veranstaltungen auch die Kulturleitung und die Marktmeisterei. Es war zum Beispiel meine Aufgabe, Kulturprogramme zu konzipieren, sie umzusetzen und aus meinem Budget die Künstler zu buchen. Das habe ich einige Jahre gemacht, bis kurz vor meinem Studium. Als ich die Arbeit in der Schmiede im Taunus beendete, hörte ich auch mit dem Schmieden auf den Märkten auf und konzentrierte mich auf die Musik.

Fiel in diese Zeit Ihre Entscheidung, ganz von der Musik zu leben?

Bei der mittelalterlichen Musik war ich ja Autodidakt, wollte aber in die Materie weiter reinwachsen und mich professionalisieren. Deswegen hatte ich während meiner Arbeit auf den Mittelaltermärkten eine Fortbildungsreihe zur ‚Frühen Musik der Hohen Stände‘ in der Akademie Burg Fürsteneck begonnen. Dort habe ich blockweise drei Jahre lang Mittelaltermusik studiert.

Sind Sie bei der mittelalterlichen Musik geblieben?

Sie begleitet und fasziniert mich bis heute und ich habe später auch meine Master-Arbeit über dieses Thema geschrieben. Trotz ihrer großen stilistischen Bandbreite ist es aber eine sehr kleine Nische. Ich hatte auch große Lust auf eine andere Art des Ausdrucks und mehr Kreativität und merkte, dass ich dafür noch weitergehen musste, auch für den Broterwerb. In einem Musikfachgeschäft entdeckte ich zu der Zeit ein Buch über das Komponieren für Film und Fernsehen von Enjott Schneider, der Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München war. Es beschäftigte sich zum Beispiel mit den verschiedenen Arten, Musik wahrzunehmen, und der Notwendigkeit, Menschen durch Filmmusik zu berühren und das Erleben zu kommunizieren. Das hat mich unheimlich fasziniert. Ich war sofort Feuer und Flamme und habe nach Möglichkeiten gesucht, in dem Bereich Kurse zu belegen. Ob ein Studium infrage käme, wusste ich noch gar nicht, weil ich kein Abitur hatte.
 

Welche Möglichkeiten haben Sie gefunden?

Ich bin auf die Musicube Academy in Bonn aufmerksam geworden, die unter anderem studienvorbereitende Kurse in Filmmusik anbietet und mit der Kunsthochschule ArtEZ, University of the Arts, in Arnheim kooperiert. Nach dem einjährigen Kurs in Bonn konnte ich dann tatsächlich ein Studium in Musikkomposition für Film und Theater in den Niederlanden beginnen. Die Inhalte reichten von Musiktheorie, einer ganzen Handvoll Instrumente über Musikproduktion, Aufnahmetechnik bis zu den Besonderheiten des Mediums Film. In meiner Lebensphase, mit 34 Jahren, war es natürlich ein großer Schritt, zum Studieren nach Holland zu gehen – zumal Musikkomposition für Film und Theater kein Studiengang ist, bei dem man weiß, ob am Ende ein finanzieller Erfolg steht. Aber es war mir klar, dass es das war, was ich wollte.

Das Problem der Hochschulzulassung hatte sich gelöst?

Ich habe die künstlerischen und theoretischen Aufnahmeprüfungen an der Hochschule in Arnheim bestanden und, weil ich kein Abitur hatte, an einem ‚Colloquium doctum‘ teilgenommen. Das ist eine Art rechnergestützter Intelligenztest, der zentral in Zwolle durchgeführt wurde.

Sie wurden durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie davon erfahren?

Ich hatte es im Internet gefunden, als ich nach Fördermöglichkeiten recherchierte. Um den Studienplatz und das Stipendium hatte ich mich gleichzeitig beworben, die Zusage erhielt ich kurz vor Beginn des Studiums. Ohne die Förderung hätte das Studium nicht funktioniert. Das Aufstiegsstipendium war ein ganz wichtiger Faktor, um das Studium stemmen zu können.

Wie empfanden Sie den Start ins Studium in den Niederlanden?

Ich war gut vorbereitet. Durch den Kurs an der Burg Fürsteneck kannte ich das akademische Arbeiten und von der Musicube Academy in Bonn die Thematik. Neu war für mich der Hochschulkontext mit vielen Leuten in einer anderen Lebensphase, zum Teil wurden sie gerade erst 18. Das fachliche Arbeiten war natürlich auch anstrengend. In der Musik ist das immer stark mit der eigenen Persönlichkeit verbunden, man schöpft ja aus sich. Das Studium in den Niederlanden ist aber sehr modern angelegt, extrem beweglich und an den Studierenden orientiert. Das war eine tolle Erfahrung.

Den Master anzuschließen, war deshalb für sie klar?

Nein, wegen meines Alters und der familiären Situation – während des Bachelor-Studiums war unsere Tochter geboren worden – hatte ich überlegt, es beim Bachelor zu belassen. Ich war dankbar dafür, dass ich das überhaupt schaffen konnte. Während des letzten Semesters merkte ich aber, dass ich noch nicht bereit war aufzuhören, weil es so viel gab, was ich noch lernen konnte. Die Abschlussprüfung für den Bachelor war gleichzeitig die Aufnahmeprüfung für das Master-Studium an derselben Hochschule.

Weiterhin durch das Aufstiegsstipendium gefördert…

Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, mich um die weitere Förderung zu bewerben, ich hatte ja schon viel bekommen. Aber ich erhielt die Zusage und es ging für mich weiter. Vor zwei Monaten habe ich den Master mit der Note 9 abgeschlossen. Die Notenskala reicht in den Niederlanden bis zur 10. Die zwei Jahre im Master-Studium waren für mich noch einmal extrem wichtig. Ich bin jetzt auf einem ganz anderen Level als nach dem Bachelor.

Was sind Ihre weiteren Pläne?

Ich habe jetzt eine sehr gute Grundlage und viele Optionen für meine Arbeit. Während des Master-Studiums bin ich an der Akademie in Bonn, an der ich das Vorstudium absolviert hatte, als Dozent eingestiegen. An der Hochschule in Arnheim unterrichte ich ebenfalls schon und habe von dort jetzt ein Angebot für einen festen Vertrag bekommen. Und ansonsten komponiere ich natürlich. Gerade habe ich von einem Musikverlag eine Kompositionsanfrage für ‚mittelalterliche Musik‘ für Film und Fernsehen erhalten. So habe ich verschiedene Möglichkeiten, die mir sehr wichtig sind und die sich familienfreundlich umsetzen lassen. Das ist in der Branche häufig nicht so.

Hätten Sie auch ohne das Studium bis zu diesem Punkt kommen können?

Nein, das Studium war die Voraussetzung für alles, was ich derzeit machen kann, und das wäre ohne das Stipendium nicht möglich gewesen. So geht es vielen Stipendiatinnen und Stipendiaten der SBB. Obwohl wir aus ganz verschiedenen beruflichen Bereichen kommen, ist der Werdegang oft ähnlich – und auf den Seminaren und Stipendiatentreffen der SBB waren immer Menschen, die sich etwas zu sagen hatten.

Interview: Heinz Peter Krieger

Update: Auf der Website von Olaf Krause finden sich Beispiele für seine Filmusikkompositionen - atmosphärische Klänge mit Streichern, Klavier, Elektronik oder auch mit großem Orchester:
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