„Ohne Förderung hätte ich mir das Studium nicht leisten können“

Julian Bauer schloss nach der Mittleren Reife seine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker als Jahrgangsbester ab. Auch danach merkte er, dass er mehr wissen wollte. Er absolvierte eine berufsbegleitende Weiterbildung zum Maschinenbautechniker und studierte anschließend – gefördert durch das Aufstiegsstipendium – Life Science Engineering an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dem Bachelor ließ er ein Master-Studium folgen und hat nun sogar mit seiner Promotion begonnen.


Herr Bauer, nach der Mittleren Reife haben Sie eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker in der Fachrichtung Formentechnik absolviert. Wie waren Sie auf den Beruf gekommen?

Ein guter Freund von mir war bereits in der Ausbildung und erzählte immer positiv davon. Während des neunten Schuljahres absolvierte ich deshalb ein Praktikum in einem Unternehmen in Coburg, das Kunststoffspritzgusse vor allem für die Automobilbranche und die Medizintechnik herstellt. Das Praktikum war schon darauf ausgerichtet, möglichst viele Schülerinnen und Schüler für eine Ausbildung zu gewinnen. Ein Jahr später bewarb ich mich dort um eine Ausbildungsstelle und bekam sie dann auch.

Wie gefiel Ihnen die Ausbildung?

Super, auf die Zeit schaue ich gerne zurück. Wir waren eine recht große Gruppe von Auszubildenden und verstanden uns untereinander sehr gut. Und auch der Ausbildungsleiter war einfach ein netter Kerl.

Wie ging es beruflich für Sie weiter?

Ich blieb in meinem Ausbildungsbetrieb. Meine Ausbildung hatte ich recht gut abschlossen, als Jahrgangsbester des IHK-Bezirks. Der Entwicklungsleiter holte mich in den Prototypenbau im Bereich Entwicklung. Nach zweieinhalb Jahren wechselte ich in die Qualitätssicherung und beschäftigte mich dort mit 3D-Koordinatenmesstechnik zur Qualitätssicherung von Kunststoffteilen. Ein halbes Jahr nach Abschluss meiner Ausbildung hatte ich außerdem eine dreieinhalbjährige nebenberufliche Weiterbildung zum Maschinenbautechniker begonnen. In der Zeit fasste ich auch schon den Entschluss, nach Ende der Weiterbildung zu studieren. Als ich den Techniker-Abschluss hatte, zog ich nach Erlangen, arbeitete dort ein Jahr lang in einer kleineren Firma und ging dann an die Uni.

Wie kam es zu Ihrem Entschluss zu studieren?

Ich hatte immer das Gefühl, im Beruf etwas unterfordert zu sein und noch viel mehr wissen zu wollen. In der Forschung und Entwicklung machten wir im Unternehmen viel im Medical-Bereich. Dabei merkte ich, dass mich die medizinischen und biologischen Prozesse im Hintergrund fast mehr interessierten als die Entwicklung des Kunststoffteils und der Applikationen, die wir als Prototypen für die Medizintechnik herstellten, selbst. Ich recherchierte daher nach passenden Studienmöglichkeiten und stieß dabei auf den Studiengang Life Science Engineering an der Universität Nürnberg-Erlangen – im Prinzip eine Kombination aus Biomedical Engineering und Verfahrenstechnik. Das passte ideal zu dem, was ich bereits gemacht hatte und wohin ich mich weiterentwickeln wollte. Deshalb entschied ich mich recht früh für genau diesen Studiengang in Erlangen.

Die Hochschulzulassung hatten Sie durch den Abschluss als Maschinenbautechniker?

Genau, mit der abgeschlossenen Weiterbildung erlangte ich direkt und ohne Umwege die Zulassung. Außerdem gab es an der Uni ein verpflichtendes Beratungsgespräch. Das führte ich mit einer Mitarbeiterin des Prüfungsamts, die mir erklärte, was im Studium auf mich zukommen würde. Ohne den Techniker, also nur mit dem Ausbildungsabschluss, hätte ich außerdem noch eine Hochschulzulassungsprüfung bestehen müssen.

Wie empfanden Sie den Start ins Studium?

Das war schon eine herbe Umstellung. Ich hatte den Eindruck, dass meine Kommilitonen mit Abitur viel besser auf das ganze universitäre Umfeld vorbereitet waren. Allein die Art, wie dort gelernt wurde, auf Verständnislernen und späteren Transfer ausgerichtet, war ganz anders als das, was ich aus dem praktischen Bereich kannte, aus dem ich kam. Die Abiturienten hatten gerade in den ersten Semestern bessere Karten, weil sie in den Jahren zuvor schon auf diese Weise gelernt hatten – auch in der Techniker-Weiterbildung wird viel mehr Wert auf praktische Anwendung gelegt. Ich hatte das Gefühl, härter arbeiten zu müssen, um reinzukommen.

Wie haben Sie das geschafft?

Es gab viele Lerngruppen, die waren enorm wichtig, um zusammen lernen zu können und auch um schnell Kontakte zu finden. Vor allem war es aber viel Fleiß und Schweiß. Ich habe sehr viel gelernt und musste einigen Stoff nachholen, weil im Life Science Engineering viele Grundlagen aus den Naturwissenschaften vorausgesetzt werden, mit denen ich auf der Realschule nur wenig zu tun hatte. Danach fand ich aber, dass ich durch die intensive Beschäftigung im Studium mit diesen Themen auf längere Sicht sogar einen Vorteil hatte. Bei den Transferaufgaben in der späteren Phase des Studiums profitierte ich davon. In den ersten Semestern so viel Arbeit zu investieren, hat sich ausgezahlt.

Haben Ihnen Ihre praktischen Erfahrungen während des Studiums geholfen?

Im Studium angerechnet wurde mir nur ein einziges Fach, die Konstruktionslehre. Aber meine praktischen Erfahrungen halfen mir zum Beispiel sehr in der Bachelor-Arbeit, als ich einige Vorrichtungen konstruieren musste, auch mit CAD. Das hatte ich in der Ausbildung bereits gelernt. Und ich hatte schon Routine, wenn es darum ging, Workflows zu erstellen und Arbeitsschritte zu planen. Da hatte ich klare Vorteile gegenüber meinen Kommilitonen.

Bei Ihrem Studium wurden Sie durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?

Ich hatte online recherchiert, da ich wusste, dass ich mir ohne eine Förderung das Studium nicht würde leisten können. Ich war direkt happy, als ich das Aufstiegsstipendium entdeckte, weil die Voraussetzungen genau auf mich zu passen schienen. Ich bewarb mich gleich und wurde auch genommen. An der Uni lernte ich dann viele Kommilitonen kennen, die das Aufstiegsstipendium ebenfalls kannten, nicht nur bei den Treffen der Regionalgruppe der SBB.

 

Konnten Sie weitere Angebote aus der ideellen Förderung des Aufstiegsstipendiums wahrnehmen?

An Seminaren teilzunehmen, habe ich leider nie geschafft, weil ich auch am Lehrstuhl arbeitete. Ich konnte aber eine Firmenführung für Stipendiatinnen und Stipendiaten bei einem Maschinenbauunternehmen in Coburg organisieren, in der mein Onkel als Entwicklungsleiter arbeitet.

Wann entschieden Sie sich dazu, Ihrem Bachelor ein Master-Studium folgen zu lassen?

Während meines Bachelor-Studiums lernte ich einen meiner Professoren sehr gut kennen, der für mich so etwas wie ein Mentor war. Auf der anderen Seite war ich durch meine praktischen Kenntnisse in der Fertigung Ansprechpartner für andere Personen am Lehrstuhl und wurde schon während meiner Bachelor-Arbeit in weitere Projekte eingebunden. Deshalb war es für mich klar, dass ich den Master anschließen würde, ebenfalls im Studiengang Life Science Engineering. Nach meinem Bachelor-Abschluss wurde ich am Lehrstuhl als studentische Hilfskraft eingestellt. Mein Master-Studium habe ich inzwischen abgeschlossen. Und da mein Professor mich gerne am Lehrstuhl halten wollte, konnte ich dort inzwischen auch mit meiner Promotion beginnen.

Worum geht es bei Ihrer Promotion?

Das Thema stammt aus dem Bereich Tissue Engineering, dabei geht es um die Züchtung von Geweben. Dafür baue ich einen Mini-Bioreaktor, mit dem es möglich ist, Biofabrikate während der Kultivierung und Produktreifung in Echtzeit zu imagen, also Bildaufnahmen zu erstellen. So lässt sich evaluieren, ob und wie gut das kultivierte Gewebe reift.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer Promotion?

Das steht noch in den Sternen. Die Promotion wird vier Jahre dauern und ich habe gerade erst begonnen. Das lasse ich erst mal auf mich zukommen.

Was war die wichtigste Voraussetzung, um Ihren Weg von der Mittleren Reife bis zur Promotion zu schaffen?

Ich habe immer gemerkt, dass ich gut in den Sachen bin, die mich sehr interessieren und die ich mir vornehme. So habe ich fast automatisch immer noch einen Schritt hinzugefügt, nach dem Motto: Vielleicht kann ich ja mehr, ich probiere es mal. Das wäre auch mein Rat an Menschen, die sich in einem Bereich weiterentwickeln möchten: es auf jeden Fall zu versuchen – sollte es nicht klappen, kann man immer noch in den früheren Beruf zurückkehren.

Interview: Heinz Peter Krieger