"Stipendien waren bis dahin für mich ein Fremdwort"

Nachdem er das Gymnasium vorzeitig verlassen hatte, fand Alvin De Guzman als Gesundheits- und Krankenpfleger seine berufliche Perspektive. Gefördert durch das Weiterbildungsstipendium eignete er sich durch verschiedene Qualifikationen ein breites Wissen an, das ihm auch jenseits des unmittelbaren pflegerischen und medizinischen Bereichs weiterhilft – und ihn schließlich sogar darin bestärkte, ein Medizinstudium zu beginnen.


Herr De Guzman, nach Ihrer Schulzeit haben Sie eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolviert. Welchen Schulabschluss hatten Sie damals?

Ich hatte am Gymnasium die Oberstufe nicht geschafft und die Schule nach dem 11. Schuljahr verlassen. Damit hatte ich den theoretischen Teil der Fachhochschulreife und bewarb mich um meine Ausbildungsstelle.

Warum haben Sie sich für eine Ausbildung in der Pflege entschieden?

Nachdem ich die Schule abgebrochen hatte, wusste ich nicht so recht, wohin mit mir. Ich fand es auch schwierig, eine Ausbildungsstelle zu suchen, weil das auf dem Gymnasium nie als wirkliche Option dargestellt worden war. Als ich mit meinen Eltern Urlaub auf den Philippinen machte, von wo sie stammen, erlebte ich, wie meine Mutter meine Großeltern pflegte. Sie ist selbst gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin und leitete mich an, damit ich ihr bei der Pflege helfen konnte. Die enge Arbeit mit Menschen fand ich sehr schön und die Pflegetechniken interessant. Das war die Initialzündung für mein Interesse an der Pflege und am Gesundheitswesen. Anfang 2012 begann ich über das Deutsche Rote Kreuz Unna ein freiwilliges soziales Jahr im ‚LWL-Pflegezentrum Am Apfelbach‘ in Dortmund. Das ist ein psychiatrisches Altenheim.

Dort fanden Sie auch Ihre Ausbildungsstelle?

Im freiwilligen sozialen Jahr habe ich nach und nach immer mehr pflegerische Aufgaben übernommen. Die nächste Herausforderung war die Ausbildung in der LWL-Klinik auf demselben Gelände, in der auch meine Mutter bis zu ihrer Rente gearbeitet hatte. Damit hatte ich etwas gefunden, was mich wirklich interessierte und mir lag. Ich legte mich sehr ins Zeug, um die Ausbildung gut zu bewältigen. Außerdem engagierte ich mich in der Jugend- und Ausbildungsvertretung und in der Verdi-Jugend. Nach der Ausbildung arbeitete ich als Gesundheits- und Krankenpfleger in der Allgemeinpsychiatrie der Klinik und war Mitglied im Personalrat.

Nach Ihrer Ausbildung bewarben Sie sich um das Weiterbildungsstipendium. Wie hatten Sie von der Förderung erfahren?

Die Schulleitung meiner Fachschule, der LWL-Akademie für Gesundheits- und Pflegeberufe Dortmund, machte mich auf das Weiterbildungsstipendium aufmerksam und fragte mich, ob ich mich nicht dafür bewerben wollte. Stipendien waren bis dahin für mich ein Fremdwort. Ich hatte sie eher mit Menschen assoziiert, die hoch talentiert sind oder aus gutem Hause stammen. Mit meiner Ausbildungsnote von 2,0 konnte ich mich zwar nicht über die Note, aber mit einem Empfehlungsschreiben der Fachschule um das Weiterbildungsstipendium bewerben. 2016 wurde ich in die Förderung aufgenommen.

Für welche Fortbildungen konnten Sie das Weiterbildungsstipendium nutzen?

In einer Pflegefachzeitschrift stieß ich auf die Anzeige für eine Weiterbildung zur medizinischen Kodierfachkraft. Außerdem habe ich eine berufsbegleitende Intensivausbildung zum zertifizierten Mediator begonnen. Dafür musste ich mich beim Institut für angewandte Psychologie in Köln bewerben. Von der Ausbildung hatte ich durch eine befreundete Psychologin erfahren, mit der ich in der Psychiatrie zusammengearbeitet hatte.

Das sind ganz unterschiedliche Themen. Wie haben Sie die Weiterbildungen ausgewählt?

Eine medizinische Kodierfachkraft bildet die Diagnosen sowie ärztlichen und pflegerischen Maßnahmen, die digital und handschriftlich erfasst werden, entsprechend des gültigen Diagnosekatalogs in der elektronischen Patientenakte ab. Die so ermittelten Behandlungskosten werden anschließend bei der Krankenkasse geltend gemacht. Die Arbeit ist deshalb wichtig, weil während der Entscheidungen über die notwendige Behandlung die korrekte Dokumentation oftmals auf der Strecke bleibt. Das kann die Abrechnung mit der Krankenkasse gefährden. Über die Weiterbildung habe ich einen guten Einblick in die wirtschaftliche Seite der Krankenhausversorgung erhalten. Die Qualifizierung zum Mediator interessierte mich, weil ich als Krankenpfleger immer wieder auch in Konfliktsituationen komme, entweder unter den Kollegen, zwischen Pflegekräften und Patienten oder mit Ärzten. Mit der Ausbildung hoffe ich, solche Situationen auf kommunikative Weise besser bewältigen zu können. Der Kurs verteilt sich über mehrere Monate in vier Blöcke von jeweils fünf Tagen.

Parallel zu den Weiterbildungen haben Sie die Hochschulreife erworben.

Die meisten meiner Freunde hatten nach meinem Schulabgang das Abi gemacht und ein Studium begonnen. Nachdem ich beruflich Fuß gefasst hatte, wollte ich mir die Möglichkeit ebenfalls offenhalten. Um in reduziertem Umfang weiterarbeiten und meinen Weiterbildungen nachgehen zu können, habe ich das Abitur am Westfalen-Kolleg in Dortmund über den Bildungsgang ‚abitur-online‘ nachgeholt. Am Kolleg hatte ich wöchentlich elf Präsenzstunden am Freitagabend und Samstag. Der Rest des Stoffes und weitere Aufgaben wurden innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens auf einer Online-Plattform hochgeladen. Nachdem ich das Abi mit einem Notenschnitt von 1,1 geschafft hatte, entschied ich mich, Medizin an der Universität Freiburg zu studieren.

Ist das Medizinstudium für Sie eine logische Weiterentwicklung nach Ihren Fortbildungen?

Den medizinischen oder pflegerischen Bereich wollte ich nach meinen beruflichen Erfahrungen auf keinen Fall verlassen. Ich war mir allerdings lange nicht sicher, ob ich in die Medizin gehen und Arzt werden oder mich in Richtung Pflegemanagement orientieren sollte. Ich glaube aber, dass ich als Arzt mehr Möglichkeiten habe, nah am Patienten zu bleiben und mit meinem Wissen zu entscheiden, was in einzelnen Situationen das Beste ist. In welche medizinische Richtung ich später gehen möchte, kann ich aber noch nicht sagen – heute war erst der zweite Tag meines Studiums. (lacht)

Wie wichtig war das Weiterbildungsstipendium für Ihre berufliche Entwicklung?

Von den Weiterbildungen profitiere ich schon jetzt enorm – sowohl bei meiner Pflegetätigkeit als auch hoffentlich später im Arztberuf. Das breite Wissen, das ich mir auf verschiedenen Gebieten aneignen konnte, hat mich außerdem bestärkt, das Studium anzugehen. Die Weiterbildungen in der Kodierung und der Mediation werden mir auch künftig helfen, weil ich dadurch viel sensibler für Situationen geworden bin, die nicht unmittelbar mit dem Pflege- und medizinischen Bereich zu tun haben. In meiner früheren Fachschule habe ich die Schülerinnen und Schüler erst vor Kurzem sehr gerne über die Möglichkeiten des Weiterbildungsstipendiums informiert.

Interview: Heinz Peter Krieger