Mit dem Weiterbildungsstipendium zum Experten für Fahrradrahmen aus Carbon
Florian Ohnesorg absolvierte nach seinem Fachabitur an der Fachoberschule Kaufbeuren eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Fahrradgeschäft. Später ließ er eine zweite Ausbildung zum Zweiradmechaniker in der Fachrichtung Fahrradtechnik folgen. Anschließend bildete er sich im "Haus mechanischer Metallhandwerke" (HAMEC) in Oberschleißheim zum Zweiradmechanikermeister weiter und eröffnete 2016 seine eigene Fahrradwerkstatt in Ingenried bei Schongau. 2015 wurde Florian Ohnesorg Bundessieger in Zweiradmechanik im Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks und im darauffolgenden Jahr Europameister im tschechischen Brünn.
Herr Ohnesorg, Sie haben eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert. Warum zunächst die kaufmännische Ausbildung?
Ich kam mit 16 Jahren zum Radsport und betrieb diesen anfangs sehr intensiv. Ich suchte einen Weg, mein Hobby zum Beruf zu machen, und entschied mich für die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Fahrradgeschäft.
War die kaufmännische Ausbildung das Richtige für Sie?
Zunächst schon, in den Verkaufsgesprächen mit Menschen umzugehen, hat mir immer großen Spaß gemacht. Ich merkte aber schnell, dass ich gerne auch als Mechaniker arbeiten wollte. Nach der Ausbildung arbeitete ich in einer anderen Fahrradwerkstatt und fragte dort, ob sie mich zum Zweiradmechaniker ausbilden würden. Das lehnte mein damaliger Chef aber ab.
Warum die Ablehnung?
Mein Chef ahnte wohl, dass es wäre darauf hinausgelaufen wäre, sich seine eigene Konkurrenz heranzuziehen. Als Einzelhandelskaufmann hätte ich zwar ebenfalls mein eigenes Geschäft aufmachen können, aber am Fahrrad nichts anfassen dürfen. Deshalb war für mich klar, dass ich die zweite Ausbildung brauchte, um mich selbstständig machen zu können. Die Alternative wäre gewesen, einen Meister einzustellen. Aber das ist für einen Anfänger natürlich zu teuer.
Wo konnten Sie die Ausbildung zum Zweiradmechaniker dann angehen?
Das war ein glücklicher Zufall. Ein Vertreter machte mich auf einen Betrieb seines Bruders aufmerksam, in dem gerade ein Lehrling abgesprungen war. Dort konnte ich die Ausbildung absolvieren und schloss direkt meinen Meister an.
Sie wurden Bundessieger im Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks. Wie konnten Sie sich für den Wettbewerb qualifizieren?
An dem Leistungswettbewerb kann aus jedem Bundesland der Geselle mit der besten Abschlussnote teilnehmen. Ich hatte die beste Gesellenprüfung in Bayern abgelegt. Die Handwerkskammer fragte mich, ob ich Interesse an dem Wettbewerb in der Berufsfachschule in Freiburg hätte. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und qualifizierte mich dort sogar für die Europameisterschaft im darauffolgenden Jahr.
Beim Leistungswettbewerb und bei den Europameisterschaften zeigte Florian Ohnesorg sein Können.
Wo fand die Europameisterschaft statt?
Auf der Motorradmesse im tschechischen Brünn, an einem Stand mitten in der großen Messehalle. Dort herrschte richtiger Trubel, Probleme mit Nervosität durfte man nicht haben. Mich stört es aber nicht, wenn mir jemand bei der Arbeit über die Schulter schaut, und ich gewann auch diesen Wettbewerb.
Wie ging es nach der Meisterprüfung für Sie weiter?
Ich meldete direkt danach mein eigenes Gewerbe an. Mein verstorbener Vater besaß eine Spenglerei. Dadurch hatte ich bereits ein Gebäude, ein sehr altes zwar, aber ich konnte mich darin einrichten. Vor Kurzem bin ich aber in ein größeres Gebäude gezogen, damit das Ganze auch ein bisschen europameisterlich aussieht (lacht). In dem Geschäft versuche ich, mich auf Maßanfertigungen für den Fahrradrahmenbau sowie Federgabel- und Dämpferservice und Tuning zu spezialisieren.
Haben Sie Mitstreiter in Ihrem Betrieb?
Ende des Jahres werde ich voraussichtlich einen Auszubildenden einstellen. Ansonsten mache ich aber alles allein, ob Werkstatt, Verkauf, Buchhaltung oder Internetseite.
Hilft Ihnen bei der Selbstständigkeit die Kombination aus kaufmännischer und handwerklicher Ausbildung weiter?
Während meiner zweiten Ausbildung dachte ich erst, dass ich die kaufmännische Ausbildung gar nicht hätte absolvieren müssen. Ich hätte ja auch ohne sie verkaufen dürfen. Inzwischen glaube ich, dass mir die Ausbildung sehr geholfen hat, beim Verkauf aus mir herauszugehen und mich um die ganze Buchhaltung zu kümmern. Da ich derzeit alles selbst mache, brauche ich das auch. Meine Arbeitgeber waren von meiner Rolle im Verkauf immer sehr angetan. Mechaniker habe in Verkaufsgesprächen dagegen oft Probleme.
Meister sind Sie bereits, haben sich aber noch um das Weiterbildungsstipendium beworben.
Eine Mitarbeiterin der Handwerkskammer für München und Oberbayern hatte mich auf das Weiterbildungsstipendium aufmerksam gemacht. An der Meisterschule in München wurde Rahmenbau nicht angeboten, weil die Schule stärker auf Motorradtechnik ausgerichtet ist. Ich darf dadurch zwar auch an Motorrädern arbeiten, wollte aber auf alle Fälle separat noch den Rahmenbaukurs an der Meisterschule in Frankfurt am Main belegen. Das war das erste Ziel, das ich mithilfe des Weiterbildungsstipendiums verfolgen konnte. Ende dieses Jahres möchte ich dann für einige Wochen in die USA, um an einem Kurs im Carbon-Rahmenbau teilzunehmen. Das ist aktuell der Stand der Technik. In dem Segment möchte ich mich breiter aufstellen, mit selbsthergestellten Carbon-Rahmen made in Germany.
Warum reisen Sie für den Kurs in die USA?
Der Carbon-Rahmenbau ist gerade die angesagte Technik, die Firmen lassen sich deshalb nicht gerne in die Karten schauen. Der einzige Anbieter solcher Kurse, den ich gefunden habe, ist Dave Bohm in Tucson. Er hat selbst eine Radschmiede und schon viele Preise gewonnen. Und wenn er bei einem Wettbewerb selbst mal keinen Preis ergattert hat, war es meist einer seiner Schüler. Ich bin sehr stolz, dass ich bei ihm lernen darf. Ohne das Weiterbildungsstipendium könnte ich mir diesen Schritt nicht leisten, weil in der Gründungsphase schon zu viele andere Investitionen anstehen. Ich hoffe, dass das Stipendium mir ermöglicht, etwas anzubieten, was nicht alltäglich ist. In meiner Werkstatt in dem kleinen Dorf am Rande des Allgäus gibt es ja keine Laufkundschaft.
Sie sind inzwischen selbst Dozent an Ihrer ehemaligen Meisterschule. Wie kam es dazu?
Nach den Meisterprüfungen fragte mich ein leitender Dozent, ob ich mir vorstellen könne, an der Meisterschule in die Lehrlingsausbildung einzusteigen und später eventuell auch Meisterkurse zu halten. Ich war wohl durch meine Noten und mein Auftreten positiv aufgefallen. Das hat mich natürlich sehr geehrt. In der Schule hatte ich nie Schwierigkeiten gehabt, Referate zu halten, und bin es durch einige Ehrenämter in einem Schießsportverein gewohnt, öffentlich aufzutreten. Also habe ich zugesagt und leite seit vergangenem Jahr einige Kurse in der Lehrlingsausbildung. Im nächsten Jahr kommen Kurse in der Meisterausbildung dazu.
(Das Interview führte Heinz Peter Krieger)