Interview mit Amar Khelo
„Ich wusste direkt nach der Ausbildung, dass ich den Meister machen wollte“
Amar Khelo kam auf der Flucht aus Syrien nach Deutschland. Weil seine Friseur-Ausbildung nicht anerkannt wurde, absolvierte er eine zweite Ausbildung und schaffte diese mit Bestnoten. Anschließend bildete er sich, gefördert durch das Weiterbildungsstipendium, zum Friseurmeister weiter und möchte sich nun mit einem eigenen Friseursalon selbstständig machen. Im Interview erzählt er, was er an der Ausbildung in Deutschland besonders schätzt und warum er inzwischen selbst als Dozent an der Handwerkskammer Bielefeld unterrichtet.
Herr Khelo, Sie sind 2014 aus Syrien nach Deutschland gekommen. Wie haben Sie die erste Zeit in dem für Sie neuen Land erlebt?
Ich bin aus Syrien über die Türkei und den Libanon nach Deutschland geflüchtet. Im ersten Jahr lebte ich in verschiedenen Orten in Bayern. Am Anfang waren es schwierige Umstände und gleichzeitig war ich dankbar. Sprache und Kultur waren neu für mich, es war eine Mischung aus Erleichterung und Herausforderung. Ich beschäftigte mich sofort mit der Sprache und unterstützte früh andere mit Dolmetschen. Das hat auch mir selbst geholfen, mich weiterzuentwickeln.
Wo haben Sie so schnell Deutsch gelernt?
Das haben engagierte Organisationen und Leute angeboten. Mit einigen habe ich heute noch Kontakt. Als ich die Unterkunft verlassen und eine Wohnung suchen musste, bin ich durch Bekannte in Nordrhein-Westfalen in Detmold gelandet und konnte dort eine Wohnung mieten. Dort habe ich Sprach- und Integrationskurse besucht und gleichzeitig ein Jahrespraktikum als Friseur gemacht. Eine Ausbildung zum Friseur hatte ich schon aus Syrien mitgebracht.
Wurde Ihre Ausbildung anerkannt?
Ich habe versucht, meine Qualifikationen aus Syrien anerkennen zu lassen. Das klappte nicht, wahrscheinlich sogar zu meinem Glück. Ich bin sehr froh über meine Ausbildung und die Meister-Weiterbildung, die ich danach in Deutschland machen konnte. In der Ausbildung habe ich viel Neues kennengelernt. Das duale System in Deutschland finde ich mega. Die Ausbildung ist deutlich vielfältiger und tiefer in den Informationen.
Wie haben Sie Ihre Ausbildungsstelle gefunden?
Die Ausbildung habe ich in dem Friseursalon begonnen, in dem ich mein Praktikum gemacht hatte. Eine Beratungsstelle der Stadt Detmold hat mir bei der Bewerbung geholfen. Während der Ausbildung habe ich den Betrieb dann gewechselt. Abgeschlossen habe ich meine Ausbildung in einem Salon in Schieder-Schwalenberg im Kreis Lippe.
Wie haben Sie die Ausbildung abgeschlossen?
Von der Kreishandwerkerschaft Lippe habe ich die Bestnote für das Jahr 2020 bekommen. Dadurch konnte ich mich später auch um das Weiterbildungsstipendium bewerben. Während der Ausbildung nahm ich außerdem an dem Wettbewerb „Jugend frisiert“ teil, belegte dort den ersten Platz bei der nordwestdeutschen Friseurmeisterschaft und im Jahr darauf den zweiten Platz bei der Landesmeisterschaft für Nordrhein-Westfalen.
Fiel Ihnen das Lernen in Ihren Sprachkursen und auf der Berufsschule so leicht?
Die Ausbildung in Deutschland hat mich begeistert. Was man dort lernt, kann man direkt danach auch anwenden. In Syrien liegt der Fokus ganz auf der Theorie, das aber eher oberflächlich. So vergisst man sie schnell wieder. In Deutschland werden die gelernten Lektionen wiederholt, man kann sie sich selbst erarbeiten und eigene Ideen einbringen.
Wie ging es nach der Ausbildung beruflich für Sie weiter?
Nach der Ausbildung war ich noch für ein halbes Jahr in dem letzten Ausbildungsbetrieb. Dann wechselte ich noch einmal, um weitere Erfahrungen zu sammeln, und blieb dort, bis ich meinen Meister hatte.
Seit wann haben Sie überlegt, eine Weiterbildung zum Meister zu absolvieren?
Ich wusste direkt nach der Ausbildung, dass ich den Meister machen wollte. Viele hatten mich gewarnt, dass die Inhalte ziemlich schwer seien, und mich gefragt, ob ich das mit meinen Sprachkenntnissen denn schaffen würde. Aber ich finde, dass man mit dem Meister anfangen kann, wenn man die Ausbildung gut bewältigt hat. Man lernt jeden Tag weiter. Wenn man übt und dranbleibt, schafft man es auf jeden Fall. Den Ausbilderschein hatte ich schon vorher bei der IHK in Detmold erworben. Den Meisterkurs habe ich dann bei der Handwerkskammer Bielefeld besucht.
Sie wurden durch das Weiterbildungsstipendium gefördert. Wie hatten Sie davon erfahren?
Ich hatte immer gute Noten in der Ausbildung. Die Berufsschule teilte mir in meinem letzten Ausbildungsjahr mit, dass ich gute Chancen auf das Weiterbildungsstipendium hätte, wenn ich in der Ausbildung so weitermachen würde. Ich habe mich dann später bei der Handwerkskammer Bielefeld um das Stipendium beworben.
Wie gut kamen Sie im Meisterkurs zurecht?
Das klappte gut, ich habe fast alle Prüfungen im ersten Versuch bestanden. Nur eine mündliche Teilprüfung im kaufmännischen Bereich musste ich einmal wiederholen. Gleichzeitig habe ich in einem Bildungszentrum schon Nachhilfe für Auszubildende gegeben. Das Lustige war, dass ich meinen Meisterbrief im Jahr 2022 genau an meinem Geburtstag erhielt. Das war natürlich das schönste Geschenk.
Wie sehr hat Ihnen das Weiterbildungsstipendium bei Ihrem Meisterkurs geholfen?
Das Stipendium war eine große Hilfe. Nicht nur wegen der Kosten, wie die Meistergebühren, die ich damit decken konnte. Man kann sich ganz auf die Inhalte der Weiterbildung konzentrieren, ohne sich um anderes sorgen zu müssen. So waren die ganzen Mühen vorher nicht umsonst und haben sich wirklich gelohnt.
Wie ging es nach der erfolgreichen Meisterprüfung für Sie weiter?
In dem Salon, in dem ich war, hatte ich nicht die Chance, eine leitende Position zu übernehmen. Deshalb habe ich die Stelle noch einmal gewechselt und konnte in Lage als Betriebsleiter anfangen. Dort habe ich eine halbe Stelle, weil ich selbst ein kleines Unternehmen gegründet habe und mich als Friseur selbstständig machen möchte. Außerdem arbeite ich an der Handwerkskammer als Honorarkraft als Dozent. In die Lehre hatte es mich schon immer gezogen. Ich unterrichte dort Friseurfachtechnologie, das heißt Fachtheorie und -praxis als Teil der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung.
Wie schaffen Sie das – Ihre Arbeit auf der halben Stelle, ein eigenes Unternehmen und die Dozententätigkeit?
Es ist echt anstrengend. Doch ich bin ziemlich stolz darauf, was ich geschafft habe, seitdem ich aus Syrien nach Deutschland gekommen bin. Ich habe Freude dabei und arbeite daran, es immer besser zu machen.
Wann ist für Sie der richtige Zeitpunkt, sich eine anspruchsvolle Weiterbildung wie den Meister zuzutrauen?
Wenn man zum Ende der Ausbildung merkt, dass man gut zurechtkommt, gute Noten hat und es nicht auf die leichte Schulter nimmt – dann kann jeder den Meister schaffen. Die Mühe wird dann auch belohnt. Das eigene Wissen entwickelt sich weiter, auch in den kaufmännischen Bereichen und im Umgang mit Auszubildenden. Ich empfehle es jedem, der die Möglichkeit hat – vor allem natürlich, wenn man ein Stipendium erhält. Solche Förderungen wie das Weiterbildungsstipendium gibt es nicht überall.
Interview: Heinz Peter Krieger