„Wir waren jung und wollten vieles anders machen“

Tamara Seidenglanz und Maximilian Wittl hatten nach ihren Konditoren-Ausbildungen schon zahlreiche durch das Weiterbildungsstipendium geförderte Weiterbildungen absolviert und erfolgreich an verschiedenen Wettbewerben teilgenommen – bis zum Titel der Vizeweltmeisterin der Jungkonditoren. Aber beide wollten noch mehr und nutzten ihr Wissen, um mit einem neuen Konzept eine vegane Confiserie zu gründen.


Der Weg in den Handwerksberuf schien bei Tamara Seidenglanz und Maximilian Wittl vorgezeichnet. Sie wusste schon mit 14 Jahren, dass sie Konditorin werden wollte. Und Wittls Eltern führten selbst eine Konditorei im oberpfälzischen Neumarkt. Ein Automatismus war es jedoch nicht. „Ich war nicht sicher, ob ich immer früh aufstehen und am Wochenende arbeiten wollte. Deshalb überlegte ich zunächst, Lehrerin zu werden“, erzählt Tamara Seidenglanz. Dann lernte sie in ihrem Bekanntenkreis einige Konditoren kennen und entschied sich nach ihrem 1,5er-Abitur um. „Dazu kam, dass in meiner Heimatstadt Rosenheim ein Bio-Bäcker aufgemacht hatte, der für sein Handwerk wirklich brannte. Das zog mich wieder in den Bann und ich dachte: Es war immer mein Traum, jetzt mache ich den Schritt und beginne die Ausbildung.“

 

Maximilian Wittl fand den Gedanken, das Gleiche wie seine Eltern zu machen, ursprünglich überhaupt nicht attraktiv. „Aber ich war handwerklich begabt und probierte dann doch die Ausbildung zum Konditor. Im zweiten Lehrjahr kam auch die Leidenschaft hinzu und ich wusste, dass es die richtige Wahl war.“ Die Ausbildung absolvierten Seidenglanz und Wittl in einer renommierten Konditorei in München. Dort lernten sie sich gleich am ersten Tag kennen – und stemmen seitdem nicht nur alle beruflichen Projekte gemeinsam.

 

„Die Ausbildung war recht hart. Man musste als Lehrling erst einmal beweisen, dass man es wirklich will“, erinnert sich Tamara Seidenglanz. „Nach dem ersten Lehrjahr wurde es aber besser.“ Denn motivierte Auszubildende wurden in der Konditorei auch erstklassig gefördert. „Wer viel Fleiß zeigte, wurde in der Ausbildung auf ein hohes Niveau gebracht“, so Maximilian Wittl. Das Niveau war sogar so hoch, dass Seidenglanz und Wittl die beiden besten Konditor-Auszubildenden ihres Jahrgangs in Oberbayern waren. Anschließend gewann die frisch ausgebildete Konditorin die Wettbewerbe des Deutschen Konditorenbundes für ganz Bayern und Deutschland und durfte sich „Deutschlands beste Jungkonditorin“ nennen. „Ich habe mich hochgebacken“, sagt sie lachend.

 

Während Tamara Seidenglanz die Wettbewerbe bestritt, ging Maximilian Wittl 2017 nach Australien und arbeitete in einer – von einem deutschen Konditor geführten – Patisserie: „Nach der Ausbildung wollte ich neue Erfahrungen sammeln und sehen, wie sie es auf der anderen Welthalbkugel machen. Ich habe sehr viel Inspiration bekommen.“ Seinen Auslandsaufenthalt unterbrach Wittl, um seine Partnerin bei der vom Weltverband der Bäcker und Konditoren ausgerichteten Weltmeisterschaft der Jungkonditoren zu unterstützen. Auch das mit Erfolg: Tamara Seidenglanz wurde in München Vizeweltmeisterin.

 

Zu der Zeit wurde sie bereits über die Handwerkskammer für München und Oberbayern durch das Weiterbildungsstipendium gefördert. Von der Förderung des Bundes erfahren hatte sie durch Mundpropaganda an der Berufsschule. „Für die Weltmeisterschaft habe ich dreieinhalb Monate lang Vollzeit trainiert“, berichtet Seidenglanz. „Dabei halfen mir viele Kurse, die ich durch das Weiterbildungsstipendium finanzieren konnte.“ Neben einer Weiterbildung zur Fachfrau für kaufmännische Betriebsführung waren darunter ein Pralinenkurs bei einer internationalen Referentin und ein einwöchiger Zuckerschaustück-Kurs mit dem schönen Titel „sucre tiré Ikébana“.

 

Maximilian Wittl wurde nach seinem Auslandsaufenthalt in das Weiterbildungsstipendium aufgenommen und nutzte die Förderung für seinen Meister-Lehrgang an der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, aber auch für einen Kurs im Dragieren und einen Französisch-Kurs. Dankbar für die Unterstützung ist auch er: „Weiterbildungen sind teuer und gerade nach der Ausbildung hat man noch nicht viel angespart. Und bei Wettbewerben wird man in Deutschland meist nicht auf andere Weise gefördert.“

 

Tamara Seidenglanz und Maximilian Wittl stiegen schließlich in die Konditorei seiner Eltern in Neumarkt ein. Nachdem beide ihre Meister gemacht und einen weiteren Wettbewerb gewonnen hatten – diesmal als Team in der SAT.1-Sendung „Das große Backen – Die Profis“ –, entschlossen sie sich zur Gründung eines eigenen Betriebs. „Wir waren jung und wollten vieles anders machen, womit wir in der klassischen Konditorei vielleicht manche Kunden verschreckt hätten“, erläutert Tamara Seidenglanz.

 

Seit einigen Jahren ernähren sich beide vegan und wollen nur noch Produkte verkaufen, hinter denen sie zu hundert Prozent stehen können. „Daraus ist das Konzept einer modernen, transparenten Confiserie gewachsen, die nur mit pflanzlichen Rohstoffen, mit einem niedrigem CO2-Ausstoß und Papier- statt Plastikverpackungen arbeitet. Was wir schon lange privat lebten, wollten wir auch in unserer Firma anwenden.“

 

Für das Geschäft mit dem Motto „Keine Schokolade ist auch nicht die Lösung“ reichte es nicht, Zutaten einfach eins zu eins durch vegane Rohstoffe zu ersetzen. „Wir haben analysiert, wie sich was zusammensetzt, und ganz neue Rezepturen entwickelt, ohne Milch- oder andere vorgefertigte Convenience-Produkte. Wir machen alles von Grund auf mit so einfachen Rohstoffen wie möglich“, betont Maximilian Wittl. Zunächst startete das Gründerteam online in das vegane Pralinengeschäft, nach drei Jahren zog es in Regensburg in einen kleinen Laden mit Werksverkauf um. Dabei griffen Seidenglanz und Wittl auch auf das Wissen aus ihren, durch das Weiterbildungsstipendium geförderten, Fachweiterbildungen zurück und passten es an ihren neuen Ansatz an.

 

Von Anfang an gehörte ein Kursangebot zum Konzept der neuen Confiserie. „Mit einem so hohen Bedarf hatten wir aber nicht gerechnet. Inzwischen schulen wir fast wöchentlich und haben jetzt eine eigene Academy mit Seminarraum“, erklärt Tamara Seidenglanz. „Da ist es wichtig, dass man die Menge mitnimmt und keinen Vortrag hält – damit die Leute rausgehen und richtig happy sind. Wie durch gute Schokolade!“

 

Bericht: Heinz Peter Krieger