„Wenn man im Sport einen Trainingsplan durchziehen kann, gelingt das auch im Studium“

Seine Karriere als Fußballprofi musste Johannes Groß wegen einer Verletzung schon mit 19 Jahren beenden. Er konzentrierte sich ganz auf seine Ausbildung zum Technischen Produktdesigner, entdeckte sein Talent für Projektarbeit und seine Leidenschaft fürs Reisen und entschied sich schließlich, Internationales Technologiemanagement an der OTH Amberg-Weiden zu studieren. Im Interview erzählt er, wie ihm im Studium seine Erfahrungen aus dem Leistungssport halfen, von seinem Auslandssemester in Argentinien und warum die ideelle Förderung für ihn der größte Vorteil des Aufstiegsstipendiums war.
Herr Groß, nach Ihrer Mittleren Reife hatten Sie eine Ausbildung zum Technischen Produktdesigner absolviert. Wie waren Sie auf den Beruf gekommen?
Mein Cousin arbeitete damals in der Konstruktion bei einem Landmaschinenhersteller. Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen und fand es sehr spannend, aus einer Idee für eine Entwicklung am Computer ein 3D-Modell zu entwerfen und die Konstruktion mithilfe von Programmen zu simulieren. Im Internet habe ich nach Unternehmen in meiner Heimatregion Ostbayern recherchiert. Ich bekam mehrere Zusagen für die Ausbildung und entschied mich für einen Anlagenhersteller für die Getränke- und Nahrungsmittelindustrie in Regensburg. Ich spielte damals Fußball bei Jahn Regensburg und wohnte deshalb dort.
Der SSV Jahn Regensburg ist ein Profiverein. Wie lange spielten Sie dort?
Bis ich 19 war. Nach Beginn meiner Ausbildung hatte ich einen Profivertrag als Ersatztorhüter für die 3. Liga bekommen und spielte in der zweiten Mannschaft in der Bayernliga. Ich riss mir dann aber einen Oberschenkelmuskel und hatte zwei Operationen, danach war meine Profi-Karriere beendet. Das war eine sehr bittere Situation und ein Scheideweg für mich. Wenn ich den Profivertrag erfüllt hätte, hätte ich die Ausbildung vielleicht gar nicht abschließen können, obwohl mein Ausbilder großer Fußballfan war und das Unternehmen mir sehr entgegenkam, wenn ich zum Profitraining oder zu Auswärtsspielen reisen musste.
Wie gefiel Ihnen dann die Ausbildung – ohne Profifußball?
Es war sehr interessant. Das Unternehmen war Weltmarktführer in der Branche und ich wechselte alle drei Monate die Abteilungen. Dadurch habe ich einen sehr guten Einblick erhalten und konnte mich auch mit Themen wie Bionik oder SAP beschäftigen. In den ersten Monaten haben die Auszubildenden außerdem – parallel neben den Computerdesigns – Maschinenbauteile noch mit der Hand gezeichnet, damit wir ein Vorstellungsvermögen von den Teilen bekamen.
In dem Beruf sind Sie zunächst geblieben?
Ich blieb noch zwei Jahre in dem Unternehmen und habe als CAD-Designer Kundenobjekte wie Plastikflaschen designt. Parallel konnte ich in die Projektarbeit einsteigen, bei der es darum ging, die Kommunikationsschnittstellen zu anderen Abteilungen zu verbessern. Dabei habe ich gemerkt, dass ich gut kommunizieren und präsentieren kann. So ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass ich auf der anderen Stelle nicht ausgefüllt war und mehr Potenzial habe, und habe deshalb nach Weiterbildungen recherchiert. An ein Studium habe ich damals, mit der Mittleren Reife als Abschluss, noch gar nicht gedacht.
Haben Sie eine passende Weiterbildung gefunden?
Ja, ich habe eine Weiterbildung zum Staatlich geprüften Maschinenbautechniker gemacht, in Vollzeit an den Eckert Schulen in Regenstauf. Ich hatte in den zwei Jahren von früh bis spät Vorlesungen und es machte großen Spaß, wieder etwas zu lernen. Nebenher konnte ich in einem anderen Unternehmen auf Werkstudentenstellen arbeiten. Die Weiterbildung schloss ich mit sehr guten Noten ab, merkte aber, dass ich mich noch mehr in die Themen vertiefen wollte. So reifte der Entschluss, doch zu studieren. Das Studium habe ich schon einen Monat nach der Zeugnisübergabe begonnen.
Wie haben Sie den Studiengang ausgewählt?
Ich habe eine Mindmap erstellt und mich gefragt, welche Interessen ich habe – zum Beispiel Reisen und Internationalität –, welche Fächer mir in der Weiterbildung gefallen haben und welche Städte mich reizten. Eigentlich war mein Ziel wegzuziehen. Dann passte aber der Studiengang „Internationales Technologiemanagement“ an der OTH Amberg-Weiden so gut, dass ich mich hierfür entschied und in der Oberpfalz blieb.
Wie empfanden Sie den schnellen Wechsel von der Weiterbildung ins Studium?
Ich fand sehr schnell Studienkollegen, mit denen ich Lerngruppen bilden konnte. Erst musste ich mich wieder daran gewöhnen, vieles eigenständig machen und den Tag selbst einteilen zu können. Das war in der Weiterbildung zum Maschinenbautechniker ganz anders. Ich kann meine Aufgaben aber gut selbst einteilen und habe eine hohe Eigenmotivation und Disziplin. Das ist noch meiner Zeit im Leistungssport geschuldet. Die Hochschule am Standort in Weiden ist außerdem recht klein und familiär. Um mit Dozenten sprechen zu können, musste man keine Sprechstunden buchen, das war ein großer Vorteil. Es gab auch viele Tutorien. Das erste Semester fand noch vor Ort statt, dann ging es in die Covid-Phase über.
Haben Ihnen im Studium Ihre praktischen Erfahrungen geholfen?
Meine berufliche Erfahrung konnte ich mir als Praxissemester anrechnen lassen und so meine Regelstudienzeit auf sechs Semester reduzieren. Außerdem hatte ich einen besseren Überblick über Maschinenbau und Wirtschaft als die Kommilitonen, die frisch vom Gymnasium kamen. Im zwischenmenschlichen Bereich und Stresssituationen fiel mir auch manches leichter und ich konnte zielorientierter und strukturierter an das Studium herangehen. Bei der Prüfungsvorbereitung half mir ebenfalls der Sport. Ich war früher Torhüter, da lernt man, in bestimmten Situationen locker zu bleiben. Und wenn man im Sport einen Trainingsplan durchziehen kann, gelingt das auch im Studium.
Bei Ihrem Studium wurden Sie durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?
Ich wusste, dass es in Deutschland Stipendien gibt, aber nicht in diesem Umfang. Ich fragte im Studien- und Careerservice der Hochschule nach Fördermöglichkeiten und meine Beraterin meinte, dass das Aufstiegsstipendium perfekt auf mich passen würde. Ich habe mich informiert, beworben und erhielt während des zweiten Semesters noch die Zusage.
Wie sehr hat das Stipendium Ihnen beim Studium geholfen?
Ich hatte noch Ersparnisse aus meinem früheren Job und war von meinen Reisen gewohnt, mich zu reduzieren. Durch das Aufstiegsstipendium konnte ich aber auf einen weiteren Nebenjob verzichten und mich auf das Studium und meine Ehrenämter konzentrieren, etwa für den International Student Club, den ich an der OTH mitgegründet habe, um internationalen Studenten zu helfen, an der Hochschule und in unserer Region anzukommen. Das lief so erfolgreich, dass der Club inzwischen in die Hochschule integriert wurde. Gejobbt habe ich während des Studiums aber weiterhin. Der größte Vorteil des Aufstiegsstipendiums war für mich die ideelle Förderung. Ich habe an sehr vielen Seminaren, der Sommerakademie, Unternehmensführungen und einer Exkursion nach Rom teilgenommen. In der Tech Community habe ich einen Vortrag gehalten und bin in der Gruppe A3, in der wir uns über verschiedene Themen austauschen. In Regensburg haben wir außerdem eine sehr aktive Regionalgruppe der SBB. Auch wenn nicht alles direkt mit meinem Studium zu tun hat, bin ich sicher, die Erfahrungen später beruflich einbringen zu können. Es sind so viele Gleichgesinnte dabei, die sich intelligent und aktiv einbringen. Und wenn wir eine Idee für ein Seminarthema haben, werden wir intensiv von der SBB unterstützt. Ich bin richtig stolz, Teil der SBB-Community zu sein.
Sie sind für ein Auslandssemester nach Argentinien gegangen. Was hat Sie dazu motiviert?
Nachdem ich mit dem Leistungssport aufhören musste, ist das Reisen eine große Leidenschaft von mir geworden. In meinem Bachelor-Studiengang mussten wir neben Englisch eine zweite Fremdsprache lernen. Ich wählte Spanisch und hatte an der Hochschule schon einige Freunde aus Lateinamerika und da auch aus Argentinien. Als ich mich im International Office der Hochschule über einen Auslandsaufenthalt informierte und Fotos aus Mendoza am Rande der Anden sah, war mir schnell klar, dass ich dorthin wollte. Das International Office hat natürlich geholfen, aber es gehörte auch viel Eigeninitiative dazu, etwa um herauszufinden, welche Partneruniversitäten es gibt, welche Module dort angeboten werden, wie die Visa-Vorgaben sind und so weiter. Darüber sollte man sich schon am Anfang des Studiums Gedanken machen, damit zum Beispiel die zu belegenden Module passen.
Wie war die Atmosphäre an der Uni?
Wir waren die erste Studiengruppe, die an die Partneruniversität in Mendoza ging. Der Aufenthalt fiel in eine politisch unsichere Zeit, mit Hyperinflation und der Wahl von Javier Milei zum Präsidenten. Ich war an der Universidad Nacional de Cuyo, eine von nur vier Nationaluniversitäten, die es in Argentinien neben den privaten Hochschulen gibt und in die nur schwer reinzukommen ist. Das Niveau ist deshalb sehr hoch, obwohl die Hochschulen unter Sparmaßnahmen leiden und technisch schlecht ausgestattet sind. Die Studierenden sind dennoch extrem wissbegierig und motiviert, und die Interaktion zwischen Professoren und Studierenden war noch viel intensiver als in Deutschland. Durch die warmherzige Art der Menschen dort war ich sehr schnell integriert, auch in die Familien. Solch eine Gastfreundschaft habe ich noch nie erlebt. Die Reise habe ich nie bereut.
Inzwischen befinden Sie sich im Master-Studium. Wann haben Sie beschlossen, Ihr Studium fortzuführen?
Das war etwa im vorletzten Bachelor-Semester. Es machte mir einfach sehr viel Spaß, zu studieren und zu lernen. Ich entschied mich für den Master-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Digital Engineering & Management, wieder am Standort Weiden der OTH. Mit diesen Themenschwerpunkten hoffe ich, später im Projektmanagement arbeiten zu können. Ich bekomme auch die Weiterförderung durch das Aufstiegsstipendium und bin darüber sehr glücklich.
Was sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?
Ich glaube, dass ich gut zwischen verschiedenen Gruppen und Kulturen agieren kann. Ich würde gerne für einige Jahre für ein deutsches Unternehmen ins Ausland gehen – oder für Organisationen wie die GIZ, also die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, um so der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Interview: Heinz Peter Krieger