
Studium mit Kindern: „Wenn ich jetzt nicht studiere, dann nie!“
Katharina König hatte als Kauffrau für Tourismus und Freizeit schon einige Jahre Berufserfahrung gesammelt und lange über ein Studium nachgedacht, als sie ein berufsbegleitendes BWL-Studium begann. Zuvor hatte die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern eine Stelle als Assistentin an der TH Brandenburg angenommen, an der sie schließlich auch studierte. Das Studium hat sie – gefördert durch das Aufstiegsstipendium – als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Der Hochschule bleibt sie aber als wissenschaftliche Mitarbeiterin erhalten.
Frau König, nach Ihrem Abitur haben Sie eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit absolviert. Wie kam es zu der Berufswahl?
Ich wusste, dass ich etwas im kaufmännischen Bereich und im Zusammenhang mit Tourismus machen wollte. Urlaub ist ja ein schöner Anlass. Dabei wollte ich selbst herauskommen, also in die Destinationen gehen und die Menschen in ihrem Urlaub begleiten und betreuen. So kam ich bei meinen Recherchen auf diesen Beruf. Man betreut den Gast von der Buchung bis zur Abreise, neben der kaufmännischen Abwicklung gehört etwa Veranstaltungsmanagement dazu. Der Beruf ist wirklich sehr vielfältig. Viele, die ihn gelernt haben, arbeiten auch in Tourist-Informationen oder Kulturstätten.
Wie haben Sie Ihre Ausbildungsstelle gefunden?
Es gab viele Bewerber, aber da ich schon 19 Jahre alt war und ein gutes Abitur hatte, hatte ich gute Voraussetzungen und konnte zwischen drei Ausbildungsstellen auswählen. Gelernt habe ich in einem Ferienresort im Ostseebad Damp in Schleswig-Holstein. Die Ausbildung konnte ich von drei auf zweieinhalb Jahre verkürzen. Es war ein großer Ausbildungsbetrieb mit vielen Bereichen, vom Hotel über einen Ferienpark bis zu einem Kongresszentrum. Aus der Ausbildung konnte ich einiges mitnehmen, was mir auch heute noch viel bringt. Ich lernte ganz unterschiedliche Situationen mit den Gästen kennen, sodass mich später nur noch wenig überraschen konnte.
Hatten Sie auch überlegt zu studieren?
Ich hatte nicht den familiären Rückhalt, um das Studium voll finanzieren zu können. Deshalb fürchtete ich, nicht parallel das Studium und einen Nebenjob zu schaffen. Aus heutiger Sicht, mit einem berufsbegleitenden Studium und zwei Kindern, denke ich manchmal: Hätte ich es besser mal gemacht. (lacht) Ich bin aber nicht traurig, eine Ausbildung absolviert zu haben. Es war für mich ein sehr wichtiger Lebensabschnitt. Ich wollte mit 19 Jahren auch raus und selbst Geld verdienen.
Wie ging es nach der Ausbildung beruflich für Sie weiter?
Ich blieb noch zwei Jahre in dem Ausbildungsbetrieb und arbeitete im Gruppen- und Tagungsbereich. Dann bekam ich die Chance, in meiner Heimatstadt Brandenburg im Stadtmarketing zu arbeiten, und zog dorthin zurück. Damals stand die Bundesgartenschau in der Stadt bevor und es wurde eine Person gesucht, die die Besuchergruppen betreut. Nach einem Jahr in diesem Projekt wurde ich fest ins Team übernommen. Zu der Zeit bekam ich auch den ersten Impuls, dass ich doch noch studieren könnte. Ich hatte ein berufsbegleitendes Studium an der Technischen Hochschule Brandenburg im Blick, das aber mit Vorlesungen am Freitag und Samstag zeitlich nicht mit meiner Arbeit in der Touristeninformation zusammenpasste. Ich arbeitete erst einmal weiter und bekam meine beiden Kinder. Insgesamt blieb ich fünf Jahre auf der Stelle. Das Thema Studium war aber nie wirklich weg.
Wie gelangte Ihr Studienwunsch wieder in den Vordergrund?
Wegen meiner beiden Kinder wollte ich gerne meine Arbeitszeiten verändern und konnte als Assistentin auf eine Teilzeitstelle im Bereich Marketing der TH Brandenburg wechseln. Inzwischen war ich alleinerziehend und bekam schließlich den Schub: Wenn ich jetzt nicht studiere, dann nie! Das war der Wendepunkt, nach dem ich mich endlich einschrieb. Es war der berufsbegleitende BWL-Studiengang an der TH Brandenburg, den ich mir schon vier Jahre zuvor angeschaut hatte. Ich hatte einen kaufmännischen Abschluss, Marketing-Erfahrung und arbeitete an der Hochschule. Jetzt passte es einfach.
Wie war der Studienstart an der Hochschule, an der Sie selbst arbeiteten?
Als ich anfing zu studieren, waren meine Kinder anderthalb und drei Jahre alt. Organisatorisch funktionierte es sehr gut. Bei der Betreuung der Kinder hatte ich Rückhalt durch meine Mutter, Freunde und meinen ehemaligen Partner, etwa wenn ich am Wochenende Vorlesungen hatte. Und die TH als mein Arbeitgeber stand auch hinter dem Studium. Für den Kopf war es aber eine Umstellung, wieder 45 oder 90 Minuten konzentriert zuzuhören und daraus etwas mitzunehmen. Mich daran zu gewöhnen, hat ein paar Monate gedauert.
Konnten Sie Ihre beruflichen Erfahrungen ins Studium einbringen?
Meine Berufserfahrung hat mir sehr geholfen. BWL an einer Fachhochschule ist sehr praxisnah ausgerichtet und die anderen berufsbegleitend Studierenden waren ebenfalls bereits etwas älter. So konnte jeder seine Erfahrungen beitragen und die Theorien mit der Praxis verknüpfen. Mit praktischer Erfahrung hat man einen ganz anderen Zugang zum Studium. Wenn man beruflich weiterkommen möchte, weiß man wofür man studiert. Deutschland ist nun mal ein Abschlussland. Bei mir war das eine sehr hohe intrinsische Motivation.
Sie wurden durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?
Nachdem ich mich entschlossen hatte zu studieren, recherchierte ich nach finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Ich suchte unter anderem nach Stipendien für ein Studium mit Kind und stieß schließlich auf das Aufstiegsstipendium. Ich dachte zunächst, dass mir mit 86 Punkten in der Abschlussprüfung der Ausbildung genau ein Punkt für die Voraussetzungen fehlte. Ich konnte mich aber mit einem begründeten Vorschlag meines Arbeitgebers um das Stipendium bewerben, der mich sofort unterstützte. Das Auswahlgespräch war sehr angenehm, ich hatte das Gefühl, dass die beiden Interviewer mich wirklich als Person kennenlernen wollten. Vor dem Auswahlverfahren zum Aufstiegsstipendium muss man wirklich keine Angst haben. Bei mir hat es ab dem zweiten Semester noch mit der Förderung geklappt.
Wie wichtig war für Sie das Stipendium?
Es war eine große Entlastung. Die Semestergebühren waren abgedeckt und es blieb noch so viel übrig, dass ich einen Laptop anschaffen konnte und nicht lange überlegen musste, wenn ich ein Fachbuch selbst kaufen wollte. Zu wissen, dass mein Studium durchfinanziert war, und ich nicht von Semester zu Semester denken musste, hat großen Druck genommen. Mit finanziellen Sorgen oder wenn ich mehr als 20 Stunden hätte arbeiten müssen, hätte ich mich vermutlich nicht so auf mein Studium konzentrieren können. In schwierigeren Zeiten war es auch wichtig zu wissen, dass jemand Vertrauen in mich hatte und die SBB mein Potenzial sah. Als ich schon an meiner Bachelor-Arbeit saß, habe ich außerdem an einem Online-Seminar zum Thema Selbstmanagement teilgenommen. Das war eine sehr angenehme Gruppe. Es hätte für mich noch viele interessante Angebote aus der ideellen Förderung durch das Aufstiegsstipendium gegeben, aber ich hatte nicht die zeitlichen Ressourcen.
Das Bachelor-Studium haben Sie erfolgreich abgeschlossen. Was sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?
Vor Kurzem hatte ich meine Verabschiedung aus dem Studium und weiß jetzt, dass ich als Jahrgangsbeste abgeschlossen habe. Ohne das Stipendium und mit weniger Fokus auf das Studium hätte ich das wahrscheinlich nicht geschafft. Ich bleibe aber nach dem Studium als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule. Dafür war der Bachelor auch Bedingung. Dort kann ich, passend zur Spezialisierung in meinem Studium, in einem Regionalentwicklungsprojekt arbeiten. Es geht unter anderem darum, Alumni und Unternehmen zusammenzubringen, um auf den Fachkräftemangel in strukturschwachem Gebiet zu reagieren. Meine Chefin hatte schon immer gesagt, dass sie mich nach meinem Abschluss ganz anders als in meiner Rolle als Assistentin einsetzen könnte. Dass es jetzt ein Projekt geworden ist, dass so zu meiner Spezialisierung passt, ist super.
Sie haben sich während einer persönlich anstrengenden Phase für das Studium entschieden. Wann passt es aus Ihrer Erfahrung, einen solchen Weg zu gehen?
Wenn es mehr als eine fluxe Idee ist und man immer wieder daran denkt, sollte man irgendwann dem Ruf folgen. Einen richtigen Zeitpunkt gibt es dabei nicht, das ist wie mit dem Kinderkriegen. Man sollte es probieren. Selbst wenn es nicht klappen sollte, nimmt man das Gelernte mit – es ist nichts umsonst, was man lernt. Alles beginnt mit dem ersten Schritt.
Interview: Heinz Peter Krieger