Bosede Staudenmayer: "Wenn es mit dem Stipendium klappt, studierst du auf jeden Fall"

Bosede Staudenmayer absolvierte nach der mittleren Reife eine Ausbildung zur Bankkauffrau. An der Sparkassenakademie Baden-Württemberg bildete sie sich zwei Jahre nach ihrer Ausbildung zur Bankfachwirtin und nach zwei weiteren Jahren zur Bankbetriebswirtin weiter. Nach zwölf Berufsjahren entschied sie sich, ihren Wunsch aus der Schulzeit zu verwirklichen und Jura zu studieren. Das Studium schloss Bosede Staudenmayer, inzwischen zweifache Mutter, im Juni 2017 an der Universität Tübingen mit einem Prädikatsexamen ab. Im Herbst 2017 beginnt sie mit ihrer Doktorarbeit zum Thema Umweltrecht.


Frau Staudenmayer, nach der mittleren Reife absolvierten Sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Wie kam es damals zu dem Berufswunsch?

Zu der Zeit waren die Banken noch in jedem Ort sehr präsent. Ich kannte das Berufsbild der Bankkauffrau aus dem Alltag, vom Weltspartag und anderen Aktionen. Da ich jedoch unentschlossen war, ob ich nach der mittleren Reife das Abitur machen oder gleich eine Ausbildung beginnen soll, traf ich während des neunten Schuljahrs an der Realschule den Entschluss, mich ausschließlich bei meinen drei ‚Lieblingsbanken‘ zu bewerben. Für den Fall, dass ich einen Ausbildungsplatz bekäme, sollte die Sache entschieden sein. In zwei Banken kam ich eine Runde weiter und bei einer hat es geklappt.

Entsprach der Beruf dann Ihren Vorstellungen?

Es war eine tolle Zeit, die Arbeit hat mir immer riesigen Spaß gemacht. Ich arbeitete in einer Filiale in meiner Heimat im Allgäu mit vielen tollen Kollegen zusammen. Mit einigen habe ich noch heute guten Kontakt. Direkt nach der Ausbildung bekam ich dort eine Stelle in der Kreditabteilung.

Nach der Ausbildung nahmen Sie an verschiedenen Weiterbildungen teil. Kam die Initiative dazu von Ihnen?

Für mich war immer klar, dass ich die Möglichkeiten nutzen wollte, die ein Unternehmen bietet. Nach zwei Jahren machte ich deshalb die Weiterbildung zur Bankfachwirtin und zwei weitere Jahre später die zur Bankbetriebswirtin. Die Weiterbildungen fanden damals in Vollzeit an der Sparkassenakademie statt und dauerten zwei Monate bzw. ein halbes Jahr. Das war immer eine sehr schöne Abwechslung und hatte schon etwas von Studentenleben.

War das schon ein erster Impuls, später studieren zu wollen?

Den Wunsch, Jura zu studieren, hatte ich schon während der Schulzeit und erzählte auch meinem Klassenlehrer davon. Der riet mir aber dringend davon ab, weil es quasi nur arbeitslose Juristen gebe. Das war Mitte der 1990er-Jahre und hatte mich erst einmal abgeschreckt. Mit Mitte 20 beschäftigte mich das Thema wieder. Mir hatte in der Weiterbildung zur Bankbetriebswirtin der Bereich Recht besonderen Spaß gemacht. Damals hätte ich für die Hochschulzulassung aber noch das Abitur nachmachen müssen. Das erschien mir damals zu aufwendig, zumal ich mit 26 meine Tochter bekommen hatte.

Studiert haben Sie aber doch noch.

Mit 30 war ich seit fünf Jahren als Risikoanalystin im Bereich Unternehmenskunden bei der Landesbank Baden-Württemberg tätig. Die Bank wollte dann aber 2.000 Stellen abbauen. In einer Personalversammlung wurde nahegelegt, dass jeder prüfen solle, was er alternativ machen könne. Das wusste ich ja eigentlich schon und ich sprach mit meinem Mann über die Situation. Er hatte kurz zuvor gelesen, dass man inzwischen auch ohne Abitur Jura studieren konnte. Das war für mich der Startschuss und ich habe meinen Wunsch aus der Schulzeit doch noch verwirklicht.

Was waren Ihre nächsten Schritte auf dem Weg zum Studium?

Zunächst sprach ich eher zufällig mit einer Bekannten, die als Personalcoach tätig ist. Ich äußerte dazu auch gleich meine Bedenken und sie sagte eigentlich nur: ‚Das ist ganz typisch, die meisten Menschen stellen sich immer die Frage ob etwas funktioniert oder nicht. Die richtige Frage die man sich stellen sollte lautet jedoch: Wie kann etwas funktionieren.‘ Dann wies sie mich noch auf ein Zitat von Johann Wolfgang Goethe hin: ‚Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, beginne es.‘ Dieser Satz ist seither mein Lebensmotto. Ich begann also nach Möglichkeiten zu suchen, wie ich den Traum meines Jura-Studiums verwirklichen konnte. Ich recherchierte nach verschiedenen Möglichkeiten, fand aber zunächst nur Stipendien die lediglich bis zum Alter von 30 Jahren vergeben wurden, einkommensabhängig waren oder andere Beschränkungen hatten. Schließlich stieß ich im Internet auf das Aufstiegsstipendium, bewarb mich und wurde ausgewählt.

Wie hätten Sie das Studium ohne Unterstützung durch das Aufstiegsstipendium finanziert?

Ich hatte mir überlegt, in Teilzeit weiterzuarbeiten oder einen KfW-Studienkredit aufzunehmen. Die Kinderbetreuung musste ich ja auch finanzieren. Das war dann zum Glück nicht mehr erforderlich. Ich hatte mir vorgenommen: Wenn es mit dem Stipendium klappt, studierst du auf jeden Fall.

Bei der Studienzulassung gab es keine Beschränkungen mehr?

Ich musste nachweisen, dass zu meiner Weiterbildung zur Bankbetriebswirtin auch der Bereich Recht gehört hatte. Ansonsten war anstelle der Abiturnote die Note aus meiner Weiterbildung maßgeblich. Die lag mit 1,9 unter dem damaligen NC.

Wie war der Start an der Uni?

Geholfen hat mir die Berufserfahrung und dass ich inzwischen zwei Kinder hatte. Ich hatte gelernt, mich zu organisieren und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Ich kaufte mir Bücher, die Lerntechniken vermittelten und mit Leseübungen ins Visual Reading einführten. Dann habe ich mir Lernpläne erstellt. Wenn meine Kinder morgens aus dem Haus waren, ging es los, und ich habe die Zeit konsequent genutzt. Das Lernen empfand ich auch nie als Druck oder Stress. Dass es bei Jura darauf ankommt, rechtzeitig mit dem Lernen zu beginnen, hatte ich schon während meiner Weiterbildung gemerkt. Und fachlich war es einfach genau mein Ding.

Was macht Jura denn für Sie aus?

Jura studieren bedeutet, sich zumindest in den Pflichtfächern immer nur mit dem Recht auseinanderzusetzen. In anderen Studiengängen muss man sich häufig auch mit Themen beschäftigen, die einem nicht so liegen. Eine Freundin von mir, die Psychologie studierte, musste sich etwa intensiv mit Statistik beschäftigen. Das ist im Jurastudium nicht so.

Wie war die Lernzeit vor dem Staatsexamen?

Die war doch recht anstrengend. Von Oktober bis März habe ich eigentlich nur gelernt, in jeder freien Minute. Ich wusste, dass es extrem viel Stoff ist, den man in kurzer Zeit abrufen können muss. Das ist nur zu schaffen, wenn die Inhalte wirklich präsent sind. Sehr geholfen hat mir vor allem meine Familie, die bei der Kinderbetreuung immer wieder eingesprungen ist.

Ihr Klassenlehrer hatte Sie noch wegen der vielen arbeitslosen Juristen gewarnt. Wie sind nun Ihre beruflichen Pläne?

In Jura hängt vieles von der Note ab. Kanzleien fordern von ihren Bewerbern meist, dass sie im universitären und im staatlichen Teil jeweils mindestens neun Punkte erreicht haben. Wenn man das geschafft hat, ist der Arbeitsmarkt in der Regel nicht das Problem. Ich habe aber einen Professor gefunden, bei dem ich zunächst eine Doktorarbeit im Umweltrecht schreiben kann. Nach dem Zweiten Staatsexamen und dem Referendariat würde ich gerne einmal in einer mittelgroßen oder größeren Kanzlei arbeiten. Alles Weitere wird sich zeigen. Mein Ziel ist, in einem angenehmen Team selbstständig zu arbeiten und die Möglichkeit zu haben, eigene Ideen einzubringen.

(Das Interview führte Heinz Peter Krieger.)