"Ich merkte, da geht noch was"

Nach seiner Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik bildete Felix Heumer sich zum Abwassermeister weiter. Seinen Studienwunsch schob er zunächst einige Jahre auf, um nach dem Neißehochwasser im Jahr 2010 bei der Sanierung von Hochwasserschäden helfen zu können. Schließlich studierte er doch noch Bauingenieurwesen an der HTW Dresden und arbeitet heute als Trinkwasseringenieur.


Herr Heumer, nach der Mittleren Reife haben Sie eine Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik absolviert. Wie waren Sie auf den Beruf gekommen?

Ich hatte verschiedene Berufswünsche, alle aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Als ich die Gelegenheit hatte, mir bei uns in der Region eine Kläranlage anzuschauen, sah ich, wie vielfältig der Beruf als Fachkraft für Abwassertechnik ist, sowohl in technischer Hinsicht als auch unter dem Umweltgesichtspunkt. Da war mir klar, dass ich das gerne machen wollte. Bei der Besichtigung erfuhr ich auch, dass die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsgesellschaft bei uns in Zittau, die die Kläranlage betreibt, Auszubildende suchte. Ich bewarb mich bei verschiedenen Entsorgern um eine Ausbildungsstelle, bekam sie dann aber tatsächlich bei dem Unternehmen in Zittau, bei dem ich heute noch arbeite.

Was gehört alles zu dem Beruf?

Von der Laborarbeit bis zur Elektro- und Maschinentechnik ist alles dabei. Man arbeitet drinnen und draußen, überwacht die Anlagen im laufenden Betrieb, führt selbstständig Analysen durch, prüft Schlamm- und Abwasserparameter und stellt die Maschinen- und Regeltechnik ein. Zu allem gehört immer auch der Umweltaspekt. Das reizte mich, zusammen mit der abwechslungsreichen Tätigkeit, besonders an dem Beruf.

Wie ging es nach der Ausbildung beruflich weiter?

Ich wurde direkt im Abwasserbereich beschäftigt und machte parallel meine Meisterausbildung zum Geprüften Abwassermeister. Die Weiterbildung fand beim Fachverband DWA, der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, statt und die Prüfung bei der IHK Dresden. Anschließend konnte ich meinen eigenen Meisterbereich übernehmen. Das war dann weniger praktische Arbeit, stattdessen kamen Personalführung, Budget- und Investitionsplanung, Betreuung von Instandhaltungsarbeiten und andere übergeordnete Führungsaufgaben hinzu.

Dachten Sie zu der Zeit bereits über ein Studium nach?

Mit der Übernahme des Meisterbereichs kam der Gedanke, dass ein Studium das Richtige wäre, um noch einen Schritt weiterzukommen. Ich merkte ja, da geht noch was. Das Studium ging ich aber nicht gleich an, weil es bei dem schweren Neißehochwasser im Jahr 2010 in der Kläranlage in Zittau den größten Einzelschaden gab. In den folgenden vier Jahren wirkte ich beim Wiederaufbau der Anlage mit, unter anderem als Bauleiter. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten und Fertigstellung der Hochwasserschutzmaßnahmen war der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Studium an der HTW Dresden zu beginnen. Das war neun Jahre nach Abschluss meiner Ausbildung.

Welchen Studiengang hatten Sie sich ausgesucht?

Als Meister war es gar nicht so einfach zu studieren. Nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen DQR ist der Meister mit einem Bachelor-Abschluss gleichgesetzt. Ich ging deshalb davon aus, gleich ein Master-Studium beginnen zu können. Ich fand aber im naturwissenschaftlichen Bereich keine Hochschule, die dies so anerkannte. Zum Studium an der HTW Dresden kam ich durch Professor Thomas Grischek vom Lehrstuhl für Wasserwesen, mit dem wir einige Projekte umgesetzt hatten. Es war ein Diplom-Studiengang im Bauingenieurwesen. Ich konnte die Module so wählen, dass er sich zu einem Drittel mit dem Wasserwesen beschäftigte.

Was hielt Ihr Arbeitgeber von dem Wechsel an die Hochschule?

Er suchte im eigenen Betrieb nach Führungskräften und hat das Studium deshalb unterstützt. Das war für mich auch eine zusätzliche Motivation zu studieren. Es war ein Vollzeit-Studium, aber ich blieb mit dem Betrieb in Kontakt und arbeitete während des Studiums immer wieder dort.

Wie empfanden Sie den Start ins Studium?

Ich hatte vor allem großen Respekt vor der Mathematik. Ich hatte ja kein Abitur gemacht und die Durchfallquoten waren sehr hoch. Es war dann aber eher eine Frage der inneren Einstellung und des Verständnisses. Ich nutzte die Angebote der Hochschule, wie einen Mathe-Vorbereitungskurs, ein Repetitorium und ein Tutorium. Damit ließ es sich sehr gut schaffen. Die zweite Mathe-Prüfung schloss ich sogar mit 1,0 ab. Eine Umstellung war es natürlich trotzdem, weil ich immer noch zehn bis 15 Stunden in der Woche arbeitete. Kurz vor Beginn des Studiums wurde unser erster Sohn geboren und wir bauten ein Haus. Das musste ich alles unter einen Hut bringen.

Bei Ihrem Studium wurden Sie durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?

Nach meinem Meister-Abschluss recherchierte ich, welche Fördermöglichkeiten es gab, und stieß auf das Aufstiegsstipendium. Das passte ideal, ich erfüllte alle Grundvoraussetzungen. Im Auswahlgespräch gefiel es meinem Juror offenbar auch, dass ich schon einige ehrenamtliche Aufgaben übernommen hatte, zum Beispiel im Prüfungsausschuss für Abwassermeister oder als Dozent für die DWA. Meine Zusage erhielt ich noch vor dem Studium.

Hätten Sie ohne die Förderung studieren können?

Ohne das Stipendium wäre das Studium nicht möglich gewesen. Dafür hat man schon zu viele finanzielle Verpflichtungen, wenn man beruflich und mit Familie bereits mitten im Leben steht.

Halfen Ihnen im Studium Ihre praktischen Erfahrungen als Abwassermeister?

Ich hatte den Vorteil, dass mir gerade Mathematik und Statik lagen, woran im Bauingenieur-Studium ja viel hängt. Da mussten viele Kommilitonen mehr machen als ich. Gerade unter der Statik oder unter bestimmten Baustoffen konnte ich mir schon etwas Konkretes vorstellen. Während meiner Ausbildung hatte ich zum Beispiel einen Schweißer-Lehrgang gemacht. Dadurch hatte ich gleich einen anderen Bezug zum Stahl als jemand, der ihn nur aus Büchern kennt. Das Studium schloss ich mit der Note 1,1 ab und ich wurde als bester Absolvent der Fakultät ausgezeichnet. Schade fand ich, dass im Studium kein Modul aus meiner Meisterausbildung anerkannt wurde. Für mich war das ein großer Schritt zurück in die grundständigen Fächer, zumal das Studium eine relativ lange Zeit in Anspruch nimmt, wenn man aus der Berufstätigkeit kommt.

Was sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?

Nach dem Studium konnte ich wieder voll bei meinem Arbeitgeber einsteigen. Im Moment lerne ich auf meiner alten Stelle meinen Nachfolger an, bin aber bereits als Trinkwasseringenieur tätig. Das Ziel ist, später eine Führungsposition im Unternehmen zu übernehmen. Reizen würde mich auch eine Promotion, da das Studium ja sehr gut lief. Die Kombination aus praktischer Aus- und Weiterbildung und Studium war für mich ideal. Beim Ingenieurstudium hat man viel zu berechnen und lernt viele praktische Fächer. Eher kurz kamen dagegen Bereiche wie Personalwesen oder Betriebswirtschaftslehre, obwohl inzwischen viele Ingenieure in Führungspositionen kommen. Da profitiere ich sehr von meiner Meisterausbildung.

Was raten Sie Berufstätigen, die überlegen, ein Studium zu beginnen?

Wenn man die Möglichkeit hat und es finanziell stemmen kann, würde ich immer sagen: Na los! Für mich hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Ich wollte immer weiterkommen und es baute ein Schritt auf dem nächsten auf, bis ich an der HTW Dresden den richtigen Studiengang für mich gefunden hatte und das Studium in Angriff nahm.

Interview: Heinz Peter Krieger