„Eine Berufsausbildung ist förderlich für ein Studium“

Nach zwei Ausbildungen arbeitete Jeffrey Truschkewitz als Mikrotechnologe, holte die Fachhochschulreife nach und absolvierte einige Weiterbildungen. Ein mögliches Studium hatte er da bereits im Blick und studierte schließlich – gefördert durch das Aufstiegsstipendium – Maschinenbau an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Seit seinem Bachelor-Abschluss ist er für ein Ingenieurbüro als beratender Sicherheitsingenieur tätig.

 


Herr Truschkewitz, Sie haben zwei Berufsausbildungen in ganz unterschiedlichen Bereichen absolviert. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Mit 15 Jahren hatte ich eine Berufsbildungsmesse in Magdeburg besucht, auf der unter anderem eine berufsbildende Schule für die Ausbildung zum Hotelfachmann warb. Das fand ich damals spannend und begann nach der Mittleren Reife die Ausbildung. Da war eine gute Portion jugendlicher Überschwang dabei. Ich merkte aber bald, dass es in dem Beruf nur geringe Aufstiegschancen gibt und dass die Arbeitsbedingungen in keinem Verhältnis zum Gehalt stehen. Als Jugendlicher steckt man das noch weg, aber eine Familie zu gründen, ist zum Beispiel kaum möglich. Anschließend leistete ich meinen Wehrdienst in einem technischen Bataillon ab und beschloss, eine neue Ausbildung im technischen Bereich zu suchen. Hier fand ich die Ausbildung zum Mikrotechnologen.

Was macht ein Mikrotechnologe?

Mikrotechnologen stellen mechatronische Komponenten her, also die Hardware – vom reinen Silicium über Mikrochips und Leiterplatten bis zu Endgeräten. Ich habe im Internet recherchiert und fand in der Jobbörse der Agentur für Arbeit eine entsprechende Ausschreibung der Universität Magdeburg. Dort gefiel mir unter anderem, dass noch viel in Handarbeit hergestellt wurde, anders als in großen Industrieunternehmen.

Konnten Sie nach der Ausbildung an der Uni bleiben?

Ja, mit einer vollen Stelle als Techniker, weil ich die Ausbildung mit Auszeichnung abschließen konnte. Eine Vollzeitstelle bekam nicht automatisch jeder ehemalige Auszubildende. Ich habe zum Beispiel bei verschiedenen Forschungsprojekten die technische Seite betreut, also die räumliche und technische Infrastruktur, sowie die technischen Ideen der Ingenieure umgesetzt. Ich war dann auch am Übergang von Forschungsergebnissen von der Universität in ein privates Start-up-Unternehmen beteiligt, das zuvor aus der Universität Magdeburg ausgegründet worden war.

Wechselten Sie ebenfalls ins Start-up?

Erst nur teilweise. Kurz bevor ich mein Studium begann, wechselte ich dann ganz zu dem Unternehmen, weil an der Uni die Mittel für technisch Mitarbeiter ausliefen. In dem Start-up war ich zu der Zeit schon als Produktionsleiter tätig. Da der Professor der Universität gleichzeitig Geschäftsführer des Unternehmens war, ging die Arbeit kontinuierlich weiter. Es war ein fließender Übergang.

Sie wurden durch das Weiterbildungsstipendium gefördert. Für welche Weiterbildungen konnten Sie das Stipendium nutzen?

Für ganz verschiedene Themen: unter anderem für Führungskräfte- und technische Seminare sowie eine Weiterbildung zum internen Auditor speziell für die Automobilindustrie. Mein Arbeitgeber trat damals einem Kompetenz-Cluster im Bereich Automotive bei und mich interessierte der Bereich Qualitätssicherung auch persönlich. Ein Zertifikat zu den Grundlagen der Kunststofftechnik habe ich in einem Fernstudium erworben. Das war schon auf Hochschulniveau und ich konnte es später als Studienleistung anerkennen lassen.

Hatten Sie da schon vor zu studieren?

Darüber begann ich während meiner zweiten Ausbildung nachzudenken. An der Uni hatte ich viel mit Ingenieuren zu tun. Da dachte ich, dass ich das auch kann und dass die Ausbildung für mich nicht das Ende der Fahnenstange sein muss. Ich holte am Abendgymnasium die Fachhochschulreife nach und konnte drei Jahre nach Ende der zweiten Ausbildung mein Studium beginnen.

Welche Studiengänge interessierten Sie?

Ich schwankte zwischen Elektrotechnik und Maschinenbau. Der Mikrotechnologe ist eine Art Hybrid zwischen diesen Bereichen. Ich habe mich an verschiedenen Hochschulen umgeschaut und mich dann für das Maschinenbau-Studium mit der Fachrichtung Produktionstechnik an der Hochschule Magdeburg-Stendal entschieden. Das passte fachlich gut und der Lebensunterhalt ist in Magdeburg günstiger als an manchen anderen Studienorten. Dazu kam, dass ich in Magdeburg mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau zusammenziehen konnte.

Half Ihnen beim Start ins Studium, dass Sie den Hochschulbetrieb bereits kannten?

Es ist noch einmal etwas anderes, ob man Mitarbeiter oder Student ist. Sehr geholfen hat mir die Teilnahme an der ‚Late Summer School‘, die die Hochschule für Studienanfänger vor Beginn des Studiums anbot. Gerade in Mathe und Physik konnte ich den Stoff sehr gut auffrischen. Die ersten Prüfungen waren noch nicht so großartig, aber als ich das Anforderungsniveau kannte, lief es deutlich besser. Auf der anderen Seite hatte ich nicht die Probleme wie viele Studienanfänger, mich nach der Schulzeit an die Freiheiten an der Hochschule zu gewöhnen. Ich musste mich schon am Abendgymnasium sehr gut selbst organisieren. Die Selbstdisziplin half mir dann auch im Studium. Und als Produktionsleiter hatte ich gelernt, Zeitpläne zu setzen. Von daher wusste ich, bis wann ich im Studium Projektarbeiten abgeben musste, um später genügend Zeit für die Prüfungsvorbereitung zu haben. Projektorganisation wird im Studium weniger vermittelt, da habe ich von meinen beruflichen Erfahrungen sehr profitiert.

Das Aufstiegsstipendium kannten Sie schon durch die Förderung durch das Weiterbildungsstipendium?

Ja, darüber hatte ich mich schon während meiner Weiterbildungen informiert und bewarb mich dann. Vor den Bewerbungsformularen sollte niemand zurückschrecken, das ist ein gut durchdachtes, übersichtliches Procedere. Ob ich ohne die Unterstützung durch das Aufstiegsstipendium hätte studieren können, weiß ich nicht. Abgesehen vom letzten Studienjahr habe ich immer nebenher gearbeitet, teils auf meiner vorherigen Stelle, zwischenzeitlich hatte ich auch eine Hiwi-Stelle. Mehr wäre nicht möglich gewesen. Wenn man sich nach Ende des Studiums die gesamte Fördersumme anschaut, sieht man, was es bedeutet, schuldenfrei ins Berufsleben zurückkehren zu können – zumal meine Frau und ich seit anderthalb Jahren ein Kind haben. Das Aufstiegsstipendium ist eine gigantische Hilfe, dafür bin ich wirklich dankbar. Und es ist eine große Community, die einen unterstützen kann.

Auf welche Weise hat diese Gemeinschaft Ihnen geholfen?

Wenn man ein Problem oder etwas nicht verstanden hat, kann man in einem der Foren um Rat fragen. Es findet sich dann oft ein aktueller oder auch ehemaliger Stipendiat, der bei dem Thema Unterstützung anbietet.

Wie ging es nach dem Studium für Sie weiter?

Ich hatte den geschmeidigsten Übergang, den man sich vorstellen kann: Am 30. September habe ich meine Bachelor-Arbeit verteidigt und am 1. Oktober meine neue Stelle angetreten. Ich arbeite jetzt für ein Ingenieurbüro als Sicherheitsingenieur, das heißt als beratender Ingenieur für den Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie in der Qualitätssicherung in der Firma selbst. Wir betreuen Firmen, die sich keine eigene Fachkraft für Arbeitssicherheit leisten können. Das Unternehmen hatte auch meinen früheren Arbeitgeber betreut, so kam der Kontakt zustande. Die Stellensuche war etwas schwierig, da aufgrund der Corona-Krise viele Stellenangebote für Ingenieure kurzfristig zurückgezogen wurden. Eventuell hänge ich später noch einen Master an, vielleicht in einem Fernstudium oder mit Unterstützung des Arbeitgebers. Aber jetzt möchte ich erst einmal die nächsten Schritte machen und mich auf meiner jetzigen Position etablieren.

Ihr Tipp: Wann sollten Berufstätige ein Studium wagen?

Versuchen sollte man es immer – es bringt nichts, auf der Stelle stehen zu bleiben. Eine Berufsausbildung ist aus meiner Sicht sogar förderlich für ein Studium. Wichtig ist, sich auch beim Lernen kontinuierlich fit zu halten. Je älter man wird und je weiter man sich vom Bildungsbereich entfernt, desto schwieriger wird es. Aber wer es will, schafft es auch. Der älteste Kommilitone in meinem Studiengang war 40 Jahre alt, hatte einen guten Abschluss und macht jetzt seinen Master. Und viele Hochschulen bieten Tutorien an, um mögliche Defizite in Mathe oder den Naturwissenschaften auszugleichen. Die Angebote, die es gibt, sollte man auch nutzen.

Interview: Heinz Peter Krieger