„Meine Fachweiterbildung wurde als Studienleistung anerkannt“

Gamze Duman kam mit 16 Jahren aus der Türkei nach Deutschland, wiederholte hier ihren Hauptschul- und Realschulabschluss und machte ihr Fachabitur. Anschließend absolvierte sie zwei Ausbildungen und bildete sich zur Fachkrankenpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie weiter. Im Interview erzählt sie, wie sie – gefördert durch das Aufstiegsstipendium – neben ihrer Arbeit in der Intensivpflege das berufsbegleitende Bachelor-Studium „Gesundheit und Management“ schaffte und warum sie sich danach für ein Master-Studium in Wirtschaftspsychologie entschied.


Frau Duman, Sie sind in der Türkei geboren. Haben Sie Ihre Schulzeit schon in Deutschland verbracht?

Nein, bis zu meinem 16. Lebensjahr lebte ich in der Türkei und hatte dort auch meinen Haupt- und Realschulabschluss gemacht. In Deutschland musste ich beides an der Volkshochschule in Leverkusen wiederholen. Normale weiterführende Schulen hätten mich wegen meines Alters nicht mehr angenommen. Durch den Schulbesuch lernte ich auch die deutsche Sprache gut. Nach der Mittleren Reife habe ich am Geschwister-Scholl-Berufskolleg in Leverkusen das Fachabitur gemacht.

Hatten Sie in der Türkei bereits ein wenig Deutsch gelernt?

Damit habe ich erst in Deutschland angefangen. Zuerst habe ich an der Volkshochschule in Köln einen Intensiv-Deutschkurs absolviert, konnte dadurch schon halbwegs Deutsch und holte anschließend die Schulabschlüsse nach. Durch den Unterricht lernte ich von Tag zu Tag mehr. Außerdem ist mein Stiefvater Deutscher und konnte mir helfen. Am Anfang war es noch schwierig, den Unterricht zu verfolgen. Nach einem halben Jahr konnte ich zwar alles verstehen, es aber nicht gut in eigenen Worten wiedergeben. Ich war auch etwas schüchtern und wollte nichts falsch aussprechen.

Sie haben dann eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert.

Mit der Pflege kam ich schon früh in Berührung, weil meine Mutter und meine Cousine als Altenpflegerinnen tätig waren und auch meine Oma pflegten. Als ich mein Fachabitur machte, absolvierte ich ein Praktikum in einem Krankenhaus in Düsseldorf, im Bereich Innere Medizin. Weil ich selbst gerne mit alten und kranken Menschen arbeite, entschied mich ebenfalls für die Ausbildung zur Altenpflegerin. Der Träger des Krankenhauses betreibt auch ein Seniorenzentrum in Düsseldorf. Dort konnte ich meine Ausbildung beginnen.

Wie gefiel Ihnen die Ausbildung?

Sie hat mir großen Spaß gemacht, auch der theoretische Teil an der Pflegeschule in Mettmann. Dort habe ich sehr viel gelernt. Mir fehlte nur etwas die Krankenpflege, mit Krankheitslehre und dem medizinischen Anteil, den ich während meines Praktikums im Krankenhaus kennengelernt hatte. Ich entschied mich deshalb für eine weitere Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Am Tag nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Ausbildung konnte ich direkt die zweite an der Uniklinik in Düsseldorf beginnen. Aufgrund der ersten Ausbildung hätte ich diese verkürzen können. Ich wollte aber auch die Kinderkrankenpflege lernen und habe deshalb noch einmal eine dreijährige Ausbildung absolviert, inklusive dieses Bereichs.

Blieben Sie danach in der Uniklinik?

Ja, ich arbeite dort heute noch auf der Intensivstation. Zunächst war ich in der Kardiologie auf einer Überwachungsstation. Nach einem Jahr wechselte ich zur chirurgischen Intensivmedizin. Dort absolvierte ich auch eine zweijährige Weiterbildung zur Fachkrankenpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie. In dem Bereich blieb ich ein Jahr und begann dann mein berufsbegleitendes Studium.

Obwohl Sie schon sechs Jahre Ausbildung und zwei Jahre Weiterbildung hinter sich hatten …

Nach der Fachweiterbildung merkte ich, dass mir immer noch etwas fehlte und ich weiterlernen wollte. Ich erkundigte mich über Studienmöglichkeiten im Bereich Personal und Management und entdeckte den Bachelor-Studiengang ‚Gesundheit und Management‘ an der Hochschule Fresenius in Köln. Der bot einen guten Überblick über die Abläufe in Gesundheitsunternehmen.

Wie war das berufsbegleitende Studium organisiert?

Es war ein Präsenzstudium, das ließ sich aber gut berufsbegleitend schaffen. Die Studien- und Prüfungstage waren schon zwei Jahre im Voraus durchgeplant. Dadurch konnte ich meine Arbeitszeiten auf der Station gut absprechen und frühzeitig auf das Studium abstimmen. Das war wichtig, weil ich weiterhin im Drei-Schicht-Betrieb arbeitete. Meine Arbeitszeit habe ich während des Studiums leicht reduziert. Dabei half mir das Aufstiegsstipendium sehr, nachdem ich mich dort beworben hatte und in das Programm aufgenommen worden war. So konnte ich die Studiengebühren und andere Kosten abdecken.

Wie hatten Sie vom Aufstiegsstipendium erfahren?

Einige meiner Kolleginnen auf der Station studierten Medizin und wurden durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Sie rieten mir, mich ebenfalls zu bewerben. Da war ich bereits im zweiten Semester. Ich bewarb mich und hatte schließlich ein sehr angenehmes Auswahlgespräch. Ich war erleichtert über die entspannte Atmosphäre. Es war keine reine Abfragerunde und die Juroren gingen wirklich darauf ein, was ich erzählte. Ich wurde in das Programm aufgenommen und erhielt ab dem folgenden Semester das Stipendium. Vorher hatte ich wegen des Studiums meine Arbeitszeit schon auf 80 Prozent reduziert und konnte nun auf 70 Prozent runtergehen.

Wie war für Sie der Wechsel ins Studium?

Das Lernen war ähnlich wie in der Fachweiterbildung. Da hatte ich sogar noch in Vollzeit gearbeitet. Das fand ich schwieriger, als mit reduzierter Arbeitszeit mein Studium zu absolvieren. Fachlich war es natürlich ein Unterschied. Manche Inhalte kannte ich schon, aber es kamen Themen wie die ökonomischen Bedingungen im Gesundheitswesen oder empirisches Arbeiten hinzu. Gerade die letzte Phase war anspruchsvoll und schwierig, man musste halt viel lernen. Das Bachelor-Studium habe ich aber in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen.

Haben Ihnen im Studium Ihre praktischen Erfahrungen geholfen?

Mir half sehr, dass ich die Strukturen eines Krankenhauses schon gut kannte. Kommilitonen, die aus anderen Bereichen kamen, waren diese nicht so geläufig. Außerdem wurde meine Fachweiterbildung als Studienleistung anerkannt. Dadurch konnte ich das Bachelor-Studium von sechs auf vier Semester verkürzen.

Inzwischen haben Sie ein Master-Studium begonnen. Was hat Sie daran gereizt?

Mich hatte während des Studiums der Bereich Personalmanagement besonders interessiert. Dort ging es auch um psychologische und wirtschaftspsychologische Inhalte. Da ich gerne in diesem Bereich weiterarbeiten möchte, habe ich mich für ein Master-Studium in Wirtschaftspsychologie an der FOM Hochschule in Düsseldorf entschieden. Ich bin jetzt im ersten Semester und habe in der vergangenen Woche von der SBB die Zusage für die Weiterförderung während des Master-Studiums erhalten. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Ist es wieder ein berufsbegleitendes Studium?

Ja, ebenfalls als Präsenzstudium. Wegen der Corona-Pandemie wurde es aber vorläufig komplett auf ein Online-Studium umgestellt, anschließend soll es hybrid weiterorganisiert werden. Eigentlich mag ich den persönlichen Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten, um etwas besprechen zu können. Ich verstehe die Inhalte dann auch besser. Diese sind jetzt noch anspruchsvoller als im Bachelor-Studium. Da sind reine Online-Veranstaltungen natürlich nicht so gut – aber es muss halt gehen. Nach dem Studium würde ich am liebsten im Personalmanagement arbeiten, gerne in einem größeren Betrieb.

Wie lässt sich ein berufsbegleitendes Studium neben der Arbeit bewältigen – bei Ihnen sogar im Drei-Schicht-Betrieb?

Ich habe mir immer wieder die Lerninhalte durchgelesen und festgehalten, was ich schon gelernt oder noch nicht verstanden hatte. Das hilft, möglichst keine Module nach hinten verschieben zu müssen. Manchmal war ich schon vorzeitig fertig, manchmal wurde es aber auch eng. Dann hieß es: von morgens bis abends lernen oder die Hausarbeiten im Turbo fertigstellen [lacht]. Wichtig ist, positiv zu denken, und auch einen Ausgleich zu haben, in der Freizeit oder mit der Familie. Da hilft oft schon ein Gespräch mit Geschwistern oder Freunden.

Interview: Heinz Peter Krieger