„Wir wussten, warum wir das Abitur nachholen wollten“

Nach ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin holte Laura Buschbacher am Abendgymnasium das Abitur nach. Anschließend studierte sie – gefördert durch das Aufstiegsstipendium – erfolgreich Molekulare Biomedizin an der Rheinischen Fachhochschule Köln. Im Interview erzählt sie, wie sie neben ihrer Vollzeitstelle in einem Krankenhauslabor berufsbegleitend zuerst das Abi und dann das Studium schaffte, warum manchmal die Studientermine mit Rufbereitschaften an der Klinik kollidierten und wie sie die Corona-Pandemie als Thema in ihre Bachelor-Arbeit integrierte.

 


Sie haben nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin absolviert. Wie waren Sie auf den Beruf gekommen?

Mit meiner Familie bin ich im Sommer regelmäßig zu unseren Verwandten nach Rumänien gereist. Dort hat mich eine Großtante immer zum Sammeln von Kräutern mitgenommen, die sie dann selbst trocknete. Sie machte daraus Tee, den sie auch für uns zubereitete, wenn wir zum Beispiel Halsschmerzen hatten – wie eine kleine Kräuterhexe. Als wir in der neunten Klasse ein Schulpraktikum machen mussten, suchte ich mir deshalb eine Apotheke aus und fand dann den Beruf als PTA, also Pharmazeutisch-technische Assistentin, sehr interessant.

Wo haben Sie die Ausbildung absolviert?

An der PTA-Lehranstalt Köln, heute heißt sie PTA-Lehrakademie. Es ist eine schulische Ausbildung. Ich lernte in zweieinhalb Jahren in verschiedenen Fächern viel über Pharmakologie, Chemie sowie über Salben und Kosmetikprodukte. Nach einem halbjährigen Praktikum folgten die Prüfungen und das Staatsexamen. Das Praktikum habe ich in einer Apotheke gemacht. Das half mir sehr bei der praktischen Prüfung, in der auch ein Beratungsgespräch simuliert wurde.

Wie ging es nach der Ausbildung weiter?

Zunächst arbeitete ich in einer gewerblichen Apotheke. Ich hatte allerdings nicht bedacht, dass es dabei auch stark um den Verkauf von Produkten geht, wie bei anderen Einzelhändlern auch. Nach einem Jahr wechselte ich in die Apotheke der Kliniken der Stadt Köln, zu denen drei große Krankenhäuser gehören.

Welche Aufgaben übernahmen Sie dort?

Hier geht es allein um den medizinischen Nutzen der Medikamente, das gefiel mir besser. Dort arbeite ich seitdem im Labor und bereite die Krebsmedikamente zu. Die Dosierungen für die Infusionen werden individuell für jeden Patienten bestimmt und wir mischen sie im Labor entsprechend zusammen. Es muss natürlich alles steril sein, wir tragen bei der Arbeit zum Beispiel Ganzkörper-Schutzanzüge. Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Patienten, sondern auch um unseren eigenen. Die Medikamente können die Zellteilung im Körper beeinflussen und dadurch Krebs verursachen, wenn man regelmäßig und in hohen Dosen mit ihnen Kontakt kommt.

Haben Sie in dieser Zeit das Abitur nachgeholt?

Die Arbeit im Labor fand ich zunächst sehr interessant, das Mischen der Infusionen auf Dauer aber auch eintönig. Die Arbeitszeiten lagen zwischen 7 und 15 Uhr. Zusammen mit einer Freundin, mit der ich die schulische Ausbildung gemacht hatte, überlegte ich, wie wir die freie Zeit sinnvoll nutzen könnten. Wir entschlossen uns dann, das Abitur zu machen, und meldeten uns zwei Jahre nach Ende meiner Ausbildung gemeinsam beim Abendgymnasium Köln an. Bis zum Abitur dauerte es drei Jahre.

Sie haben während des Abiturs also weitergearbeitet?

Genau. Der Unterricht am Abendgymnasium fand zweimal in der Woche von 18 bis 21 Uhr statt, das passte gut zu meinen Arbeitszeiten. Die Hausaufgaben konnten wir über ein Online-Portal einreichen. Vor den zentralen Abitur-Prüfungen habe ich mich etwas verrückt gemacht, es klappte dann aber sehr gut und ich habe das Abi mit der Note 1,1 abgeschlossen.

Haben Sie sich gefragt, warum Sie das Abitur nicht direkt nach der Mittleren Reife gemacht hatten?

Nein, gar nicht. Dann hätte ich wahrscheinlich nicht die Ausbildung zur PTA begonnen, sondern direkt studiert. Ich hätte nicht so tolle Leute im Krankenhaus kennengelernt und vielleicht auch keinen so guten Abschluss gemacht. Am Abendgymnasium waren wir alle sehr zielstrebig. Wir wussten ja, warum wir das Abitur nachholen wollten. Während der Zeit am Abendgymnasium habe ich sogar noch Weiterbildungen absolviert, um Kursleiterin werden zu können, und dann an den freien Abenden Sportkurse in einem Fitnessstudio gegeben.

Seit wann dachten Sie über ein Studium nach?

Während der Zeit am Abendgymnasium hatte ich mir gesagt: Wenn ich ein sehr gutes Abi schaffe, möchte ich es auch nutzen, um zu studieren. Da ich gute Erfahrungen mit dem berufsbegleitenden Schulabschluss gemacht hatte und nicht aufhören wollte zu arbeiten, suchte ich dann nach einem passenden berufsbegleitenden Studiengang. Die Rheinische Akademie Köln, die Träger der PTA-Lehranstalt ist, ist auch eine Partnereinrichtung der Rheinischen Fachhochschule Köln. Daher wusste ich, dass die RFH den neuen berufsbegleitenden Studiengang ‚Molekulare Biomedizin’ anbot, und meldete mich dafür an. Ich gehörte zum zweiten Jahrgang, der in dem Studiengang studierte.

Bei Ihrem Studium wurden Sie durch das Aufstiegsstipendium gefördert. Wie hatten Sie von dem Stipendium erfahren?

Das Abendgymnasium hatte ein Studienstipendium für Abiturienten mit Einser-Schnitt vorgestellt, das aber nur Studierende erhalten konnten, die nicht arbeiteten und in Vollzeit studierten. Das passte auf mich nicht, aber ich recherchierte daraufhin nach einem Stipendium, das auch ein berufsbegleitendes Studium fördert. Dabei entdeckte ich das Aufstiegsstipendium, bewarb mich und wurde in die Förderung aufgenommen.

Wie sehr hat das Stipendium Ihnen das Studium erleichtert?

Die Rheinische Fachhochschule Köln ist eine private Hochschule. Pro Monat hatte ich etwa 460 Euro Selbstkosten. Durch meine Berufstätigkeit und die zusätzlichen Sportkurse hätte ich das Studium zwar finanzieren können. Mit der Förderung durch das Aufstiegsstipendium musste ich aber weniger Sportkurse geben und konnte die Zeit zum Lernen nutzen. Das Studium war so viel konzentrierter und entspannter. Ich arbeitete ja noch in Vollzeit im Labor.

Wie empfanden Sie den Start ins Studium?

Wir waren eine sehr kleine und homogene Gruppe, es waren tatsächlich nur fünf Leute in unserem Studiengang. Es arbeiteten alle in TA-Berufen, also als Medizinisch-technische oder Biologisch-technische Assistenten. Ich war die einzige PTA. Wir haben uns direkt gut verstanden und angefreundet und das Studium zusammen durchgezogen. Fachlich kam ich sehr gut zurecht. Die persönliche Betreuung war auch sehr gut, unsere Dozenten konnten wir immer erreichen und alles fragen. Das Studium habe ich mit der Note 1,4 abgeschlossen. In meine Bachelor-Arbeit konnte ich schon die Corona-Pandemie aufnehmen. Es ging darum, ob Menschen mit Tumoren häufiger an Corona erkranken als andere. Dafür interviewte ich an meiner Arbeitsstelle auch das Klinikpersonal, natürlich telefonisch oder per Zoom-Meetings. Es waren alle sehr kooperativ und über das Thema begeistert.

Konnten Sie das Studium ähnlich gut mit Ihrer Berufstätigkeit verbinden wie vorher das Abitur?

Im Studium war es etwas schwieriger, weil es an zwei Abenden in der Woche und samstags stattfand. Samstags hatte ich auch ein- bis zweimal im Monat Rufbereitschaft in der Klinik, etwa für den Fall, dass ein Patient im Krankenhaus eine Notfallinfusion brauchte. Wenn an der Hochschule Labortermine auf den Samstag fielen, kündigte ich den Dozenten meine Rufbereitschaft an. Einige Male musste ich wirklich zwischendurch ins Krankenhaus und kehrte kurz vor Ende des Termins in das Labor der Hochschule zurück. Das hat die Hochschule aber akzeptiert und meine Chefin stand auch hinter dem Studium. Einmal fehlte ich, als wir uns in der Gruppe gegenseitig Blut abnehmen und jeweils das eigene Blut untersuchen sollten. Ich habe dann das Blut einer Kommilitonin genommen. Das war schade, mein eigenes Blut hätte mich natürlich mehr interessiert (lacht).

Haben Ihnen im Studium Ihre praktischen Erfahrungen geholfen?

Ich konnte mir aufgrund meiner Vorkenntnisse aus der PTA-Ausbildung sechs Module anrechnen lassen. Darunter auch Physik – darüber war ich ganz froh, weil ich das Fach nicht besonders gerne mochte. Die Zeit konnte ich gut zum Lernen für die anderen Fächer investieren, zum Beispiel Zellbiologie, Biomedizin und klinische Forschung.

Arbeiten Sie seit Abschluss Ihres Studiums weiterhin im Krankenhaus-Labor?

Vergangenes Silvester erfuhr ich, dass ich Mama wurde. Wegen des Umgangs mit krebserregenden Medikamenten durfte ich anschließend nicht mehr im bisherigen Labor arbeiten. Ich wurde in ein anderes Labor eingeteilt, in dem wir die Ernährung für die Frühchen oder die Patienten herstellen, die künstlich ernährt werden müssen. Nach einigen Monaten durfte ich als Schwangere wegen der Corona-Pandemie gar nicht mehr arbeiten. Die Zeit habe ich für eine Online-Weiterbildung als Trainerin für die B-Lizenz für Übungsleiter sowie als Personal Trainerin genutzt.

Was sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?

Ich bin inzwischen in Elternzeit und erst einmal für meine Tochter da. Ich überlege, welche Weiterbildungen ich noch machen oder ob ich auch ein Master-Studium anschließen könnte. Ein Master in ‚Molekularer Biomedizin‘ wäre leider nur in Vollzeit möglich. Ich könnte mir aber auch einen Master in einer sportwissenschaftlichen Qualifikation vorstellen, um meine beiden Interessen zu verbinden. Ich habe immer geschaut, was mir gefällt und wo ich hinter stehe. Es gibt für jeden eine Nische und es ist nie zu spät.

Interview: Heinz Peter Krieger